Wie Ludwig seine (Ver)fassung verlor. Als großer Showmaster wird Ludwig in seinem Kampf für Gerechtigkeit als Haderlump verurteilt. Was so nicht ganz stimmt, das Verfahren wurde gegen vierzig Sozialstunden eingestellt. War das nun zuviel Show oder Gottes Werk. Nun denn, der Kaiser Karl mußte nach Rom zum Papst. Das sind so die Regeln: ohne Papst kein Kaiser. Da ist so eine Prozession Geißelung genug. Vor allem, wenn es noch Geld in die Kasse spült.
Am Wochenende war ich in einem Theaterstück, „Mensch Ludwig“, welches als Zwischen- oder Nachnutzung eines kleineren Teiles des Kaufhaustempels neben dem Holländer-Blumenhaus am Treptower Park ein tristes Dasein fristet.
Wie schon Karl Marx behaupten soll: Das Sein bestimmt das Bewußtsein. Der Zugang ging an mehr oder weniger mit bunten Bildchen beklebten großzügigen leerstehenden Ladenflächen vorbei. Mit ordentlichen Gewerbepachten hat sich selbst Mister Minit, von vielen Standorten getrennt. Laut der Selbstdarstellung im Internet gibt es deutschlandweit nur noch dreizehn selbstständige Franchisenehmer.
Wenn ich Das nicht finde, dann wird es kein großer Verlust sein, dem Event fern zu bleiben. Der Hintergrund von dem Gedanken ist das jegliche Fehlen von Hinweisindikatoren. Kein Schildchen oder temporären Aufsteller, nix, aber die Gebäudereinigung funktioniert. Obwohl der real existierende Sozialismus schon in der Geschichte verschwindet, scheint hier die Reinigungsabteilung noch pingelig den Fünfjahresplan des ZK der SED abzuarbeiten.
Mangels Eyecatcher findet sich recht schnell im Obergeschoß, welches mit prachtvollem strahlenden werbenden Rossmann-Schriftzug als der weiße Riese, das Zentrum dieses Prunkstücks kapitalistischer Konsumkultur markiert, am Rande irgendwelcher versteckter Baumaßnahmen, also einer bemalten, fehl am Platze wirkenden Bretterwand, ein abgeknickter schwarzer Pfeil, der tatsächlich das überregional bekannte und beliebte Kleine-Kunger-Kiez-Theater meinte. Mehr war ja auch nicht in dem verlassenem Bunker zu erkennen. Die Schilder „Ateliers“ und ähnlichem, die nach rechts zeigten aber den Blick durch Glaswände bis auf die gegenüberliegende Straßenseite ermöglichten, müssen Überbleibsel vom vierzigsten Jahrestag der DDR oder so sein.
An der Kasse kramte jemand in seinem Handgepäck während der Kassierer die Preisgestaltung erläuterte, nämlich das sie gerne den Betrag hätten den der Kunde die Darbietung für wert hält. Damit der Kunde eine Orientierung hat, stand auf dem Tresen zwei Zettelchen mit der Aufschrift ermäßigt acht und normal zehn Euro, wobei mündlich erläutert wurde es sei eigentlich fünfundzwanzig Euro wert. Hah, diesen psychologischen Verkaufstrick haben sie schon im öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm auf den Zahn gefühlt. Die überwiegend angesprochenen Passanten haben den Wert völlig überschätzt und deutlich mehr gezahlt. Das funktioniert bei mir nicht. Wenn mich jemand nach dem Wert seiner angebotenen Leistung fragt, bedeutet das für mich: der will mir Weihrauch für Heiligkeit, die Kerze für seine Kirche völlig überteuert und nutzlos verkaufen. Das konnten die amerikanischen GIs mit dem Angebot von gutem Afgahnen zum Konzert von Golden Earing wirklich besser. Das lasse ich seine Kirche sein, die Predigt höre ich mir nur noch gegen Bezahlung an, denn die frißt meine Lebenszeit und erhöhte Energie für die Aufmerksamkeit, die mein Körper für das beständige Beobachten der aufgestellten Fallen im Vorgetragenen braucht.
Vor vielen Jahren hat ein Mitbewohner in einer Charlottenburger Hobbyschauspielgruppe das Stück „Per Anhalter durch die Galaxis“ geprobt und missionshaft versucht mir das Stück näher zu bringen. Das Buch jedenfalls konnte ich nicht lesen, egal wer das vorher als beste Bibel von allen bezeichnete. Liegt wohl an meiner niederen proletarischen Herstammung, vermittelten mir die Müncher Theaterkritiken. Da das Buch schon durchgefallen war, was soll mir da eine Adaption als Schauspiel bringen? Ich habe mir den Premierenaufwand und die Truppe der Volkshochschule angesehen und großzügig auf diese Premieren-Show vor Ort verzichtet. Fand der Kollege nicht so gut, aber er hätte da vielleicht doch eher seine Mama bestellen sollen.
Ich habe, ganz wie Onkel Dagobert das machen würde, die Werthaltigkeit des Theaterstückes bei dem Konkurrenten Klaas Klever nachträglich zu bewerten vorbehalten.
Und das ist freilich eine nicht ganz so einfache Angelegenheit, denn um zu einem gerechten Angebotspreis zu kommen, muß das gesamte Umfeld in Frage gestellt werden.
Und wie es so aussieht, ist diese Truppe zu ihrem Preis vom Abgucken bei Eventim und anderen großen betriebswirtschaftlich optimierten Veranstaltungsabwicklern gekommen. Klar, mit einem ermäßigten Eintrittspreis für Bedürftige, das gehört heute zu dem guten Ton und dem Ruhigstellen der Plebejer und Sklaven.
Die betriebswirtschaftlichen Daten für die Produktion und deren Produktionsmittel liegen mir nicht vor und die werden in der Regel geheim gehalten. „Könnt’ ja sonst jeder machen und dann bleibt nichts für uns.“ Bei der Findung des besten Eintrittspreises ist die Option „zahlt alles der König“ historisch verloren gegangen. Nur in Frankreich gibt es heute noch das Balettprivileg. „Mit zweiundvierzig Jahren Anspruch auf staatliche Rentenzahlung.“ Der König hat seinen Kopf verloren, das reicht für den Bürger. Wir wollen die Kirche im Dorf lassen und die Kosten dafür beim Staat. So ist das in Fran-kreisch. (Quelle: Der Standard).
Und auch der Faktor notleidende Künstler im Rentenalter kann nicht mit dezidierter Betrachtung einfließen. Jedenfalls das beliebte Scheckheft des Tags der offenen Tür, die die Finanzierung zugunsten der Künstlersozialkasse per Lotteriebeitrag unterstützte ist 2007 verkauft worden. (Quelle: Newsroom) Jedenfalls der Bereich „Künstlersozialkasse“ ist auch ein spannendes Thema, bietet mir doch Google als ähnliche Fragen: „Kann man die Abgabepflicht umgehen?“ Da wollte ein Künstler durch Vertragsgestaltung seine Einnahmen von Auftrittseinnahmen zu Kapitalgesellschaftseinnahmen der Rentenversicherungspflicht entziehen. Alles Ganoven, dieses Gauklerpack. Fast alle, außer Anne, die hat sich, schon vom Sensenmann gerufen, krumm gelegt, um die wirtschaftlichen Einnahmen für den Erhalt ihrer Künstlersozialversicherung zu erhalten. Hat ihr nicht viel gebracht, sie ist mit dreiundsechzig Jahren gestorben.
Thema soll lediglich Preisfindung für eine künstlerische Aufführung aus Sicht der Marktakzeptanz sein. Hierbei fällt die reine Gewinnoptimierung bei etablierten (Musik-)veranstaltungen aus der Betrachtung, denn wer Mick Jagger live in einem Olympiastadion erleben will, der zahlt auch was gefordert wird. Im Zuge des computergestützten Vorverkaufs wird der Erlös optimiert, koste es, was es wolle.
Als Nachbarschaftstheater stellt sich die Frage „wer soll zu uns kommen?“ Die ganze Stadt, das ganze Land ist freilich Wunschdenken. Machen die meisten Menschen nicht. Muß man ansprechen und motivieren. Es ist nur schwierig, wenn das Thema des Theaterstücks schwer fassbar und kaum vermittelbar ist. Okay, darum kümmern sich diejenigen, die an dem Stück interessiert sind. Nur schade das die in keiner Kirchengemeinde mehr sind, da hätte das Prozessionskonzept vielleicht Freunde gefunden. Ja, vielleicht, die Menschen gehen viel seltener in die Kirche, vielleicht auch, weil da zweimal der Klingelbeutel für die Tageskollekte und Bedürftigen herumgeht. Auch kann nur ein kleiner Teil der Christen mit Prozession etwas anfangen, die anderen denken an einen Prozess. Bleib mir bloß fort.
Ein limitierender Faktor ist der zu entrichtende Obolus, man geht schließlich auch nicht zu jeder Vernissage, bei der es kein Angebot an Sekt und Häppchen gibt. Mangels handfester Argumente kommt man auf runde Zahlen. Zehn Euro sind eine handliche Summe und erspart eine vorbereitende Wechselkasse. Zwölf Euro wäre zwar besser für die Gesamteinnahmen, dann doch gleich fünfzehn Euro. Wer hat denn in letzter Zeit welche Preishöhe genutzt und was sind die Erfahrungen daraus? Na gut, nehmen wir zehn Euro.
Wie ist das mit den Hartz-Vierern? Da nehmen wir nur acht Euro, machen die anderen auch so. Tja, wieder nicht weit genug gedacht. Von denen kommt sowieso kaum einer. Warum auch, sind die Zielgruppe? Noch so eine schwierige Frage. Sie sollen kommen, schließlich bringt jeder Besucher Bares. Hier könnte man Ansatzpunkte in den Gesetzen des Landes finden, denn deren Bedarf, was rein zufällig dem verfügbaren Einkommen entspricht, ist definiert. Für Freizeit, Unterhaltung und Kultur sind 2023 monatlich 49 Euro angesetzt. Der Monat hat vier Wochen, da ist es sinnvoll das Budget auf eine Woche umzurechnen, stünden maximal 12,50 Euro je sieben Tage zur Verfügung. Viel Vergnügen mit dem Aufteilen auf die drei Bereiche und den einzelnen Tagen. Wozu soll man das machen? Die (und zwar vollkommen abstrakt, weil entmenschlicht) sollen gefälligst fasten um ausreichend Geld für unseren Eintritt anzusparen.
Ich hätte bei einer Planung der angestrebten Besucher auf Auslastung gesetzt, denn für eine handvoll Verirrte wäre jede meiner Botschaften Verschwendung der Bestrebungen. Das bedeutet allerdings wieder Arbeit und keine künstlerische Pause. (So einmal nachzulesen wie andere das machen: .uni-wuerzburg.)
Die Vorstellung beginnt, wenn das Programmheft mir nicht das Konstrukt Passionsprozession als Handlungsstrang angeboten hätte, wäre das an mir vorbei gegangen. Ist es zwar mit der nominellen Erwähnung nicht, aber dessen gemeinschaftliche Geißelung ist wie Schützenfest. Eine abstruse fremde Welt, wobei das Schützenfest mit reichlich Freibier etwas zu bieten hat. Es zieht sich mit vierzehn Stationen, an welcher ist das Programm und wie lange dauert es noch, die mich vor die Frage stellen: was soll der Zirkus bewirken? Eine Frage, die der Regisseur nach der Vorstellung ankündigte beantworten zu wollen und Anstalten machte dieses am Stammtisch in kleinerer Runde zu tun. Nix da, der kann seine Intention nicht darlegen, das würde dem Ziel dieser entgegen stehen und so vor allen Zuschauern, zwar begrenzt in der Anzahl, scheint ihm das Publikum zu groß. Sofort das Angebot angenommen. Er möge doch den durch beständigen Selbstvorwurf des Protagonisten „warum passiert mir das?“ als nervendes Festhalten an negatives Verhalten erklären.
Bubi, Bubi, noch einmal, es war so schön.
Na denn: auf zur Selbstgeißelung
Um zum Schluß zu kommen: Der Regisseur bot an, noch ein Glas Wein zu trinken. Nur Wein gab es nicht, so war ich gezwungen auszuweichen. Nein, auch keinen Dom Perignion, wie Karina sich erinnern kann, es war ein Piccolo Rotkäppchen ohne Farbe für teuer Geld, wie Meister Röhrig das bemerken würde. Die Krönung war das Ausschalten der Klimaanlage, es fiel der Frost von der Decke, schneller als der Alkohol wärmen konnte. Folglich wurde die Flucht angetreten. Ich wollte den angemessenen Grundsicherungsempfängereintritt bezahlen, die Pinunse fließt jetzt in die Heilungskosten für die Erfrierungen. So viel zu meinem guten Willen.