Motorradfahren in der Gruppe

Motorradfahren in der Gruppe

Motorradfahren in der Gruppe

Das Wetter sollte zum Start der Sternfahrt 2019 mit der Biker-Union in München nicht gut sein. Zunächst plante ich deshalb in Stuttgart zu starten, dort stand allerdings kein Übernachtungsplatz zur Verfügung. Da kurz vor meinem Aufbruch der Wetterbericht eine trockene Anreise nach München offerierte, beschloß ich doch für den Anfang der Sternfahrt das regnerische Wetter in Kauf zu nehmen.

Die Sternfahrt lief ohnehin problematisch ab. Auf der Hinfahrt nach München trat kurz vor der Autobahnabfahrt ein Defekt am Motorrad auf. Die Beschleunigung brach ein und die Höchstgeschwindigkeit reduzierte sich auf 120 km die Stunde. Abbruch der Operation oder Durchhalten? Jedenfalls erst einmal zu den Road-Eagle, München. Das Navi sagte rechts abbiegen, doch ein Verkehrsschild signalisierte eine Sackgasse. Alternativen sind nicht in Sicht, also rein in die Sackgasse und siehe da, es geht vermutlich vor irgendeiner Baustelle links unter der Autobahn durch, offensichtlich für kleinen landwirtschaftlichen Verkehr. Beschilderungen muß man gelegentlich nicht so ernst nehmen. Bei den Road-Eagle sehe ich weiter. Ist freilich beknackt die Sternfahrt im LKW mit zu fahren. Abends in Freising das Zelt wegen dem dunklen Himmel hektisch aufgebaut und dabei das Überzelt verkehrt aufgelegt. Da mußte ich im Starkregen noch einmal heraus und das Überzelt wenden, weil sonst der Wassereinbruch auf Dauer geblieben wäre. Das wäre kein Zelt sondern eine Duschkabine mit verstopften Abfluß geworden. Es gab also kein Abendbrot und kein Begrüßungsbier. Einem Kollegen hat der Regen gesagt: er soll sich ein neues Zelt besorgen, hörte ich in Obermichelbach. So ist das Leben und kein Märchen.

Am nächsten Morgen gerade so geschafft, die Plünnen zusammen zu raffen und auf dem Motorrrad zu verzurren. Alles feucht, naß und klamm. Auf dem Weg zum Startpunkt in München Ramersdorf fällt die Elektrik komplett aus. Motorrad steht, und wo? Auf einem Autoweg ohne Standstreifen, keine Abfahrt in der Nähe. Keine Panik, Luft holen und irgendwie versuchen, dies und das. Das Radl fährt wieder, warum weiß keiner, interessiert auch nur sekundär.

Klar, in München bin ich einmal falsch, nämlich zu früh abgebogen und das ergab eine merkwürdige Sightseeingtour, denn nämlich einmal um den Häuserblock fahren geht nicht, das nervte und kostete Zeit. Dennoch rechtzeitig zu dem Parkplatz gefunden und mich etwas erholt. Glücklicherweise regnet es nicht, aber Hinz und Kunz haben sich in ihre Regenkombis geworfen. Das tue ich ihnen gleich. Jedenfalls ab jetzt steht der LKW für liegengebliebene Motorräder bereit. Wäre allerdings schon peinlich, das erste Fahrzeug zu liefern und im LKW mitzufahren. Die Fahrt durch München blieb fast trocken, es fielen als Ankündigung einzelne Tropfen herunter.

Beim Eskortenwechsel ist es damit vorbei, der Himmel wird dunkler und ein Landregen setzt ein, der jeden Bauern freut, insbesondere den Brandenburger, wie die staubige Zeltwiese Tage später in Jühnsdorf eindrücklich darlegte.

Die Strecke zieht sich, bei den Tankpausen drängt sich alles unter dem Dach, der Menuewunsch für das Abendessen wird eingesammelt. Der linke Spiegel lockert sich immer wieder und das Festziehen der Schrauben hilft nicht, will eher das Gehäuse sprengen, daher fahre ich ab jetzt auf der rechten Spur, denn die beständig überholenden Polizisten sehe ich nicht sofort im Spiegel, er muß immer vorher justiert werden. Unterwegs stelle ich fest, das Regenwasser auf den Bremsscheiben verzögert die Bremswirkung, also mehr Abstand halten.

Die Polizeieskorte nach Nürnberg erzählt ihren Salmon wie immer. Nur heute verspricht er „wir haben alle Zeit der Welt“. Das macht er sonst auch immer, aber die Aussicht ist nicht so berauschend. Die Kollegen kommen frisch aus dem Amt, bei uns war es grau und regnerisch, seit Stunden nichts anderes, bei mir dringt an einzelnen Stellen das Wasser durch. Für mich könnte die Tagesetappe jetzt am Ende sein.

Bei Ankunft in Obermichelbach sind alle durchgeweicht. Das Zelt schnell aufstellen und ins Sportheim, was zum Glück geheizt ist, die nassen Klamotten aufhängen. In der Dusche haben sich schon einige ihre Isomatte als Schlafplatz plaziert. Das will ich auch machen, doch wie ich vom Zelt mit meiner Matte und dem Schlafsack ankomme, ist der Umkleideraum voll mit Okkuppanten. Ganz abgesehen von der nebligen Feuchtigkeit, die aus dem Duschraum herüberschwappt. Ich bitte die Anwesenden nachher das Fenster etwas zu öffnen, damit die vielen Kombis eine Chance zum Trocknen haben. Auf dem Flur sehe ich jemand aus der Gruppe in einen anderen Raum eintreten, dem schließe ich mich schnellstens an. Wir sind in einem Mannschaftsraum, also Tisch, zwei Stühle, Kühlschrank, Spüle und Schrankwand. Isomatte ausgerollt und mich über die Fußbodenheizung gefreut. Die nassen Strümpfe gegen ein trockenes Paar gewechselt. Dann erst einmal ein Weizenbier bei der Bewirtschaftung geholt. Mein Nachtlager ist vorbereitet, die feuchten Jacken und Hosen hängen irgendwo, doch nicht alleine, so daß sie nicht bis zum Morgen trocken sein werden. Das Essen dauert noch etwas, die Küche arbeitet das Bestellte nach und nach ab. Ich gehe mit meinem Bier und den nassen Socken in die Toilette, spüle die Socken durch und wringe sie etwas aus, dann kommt die Krönung, ich lege sie neben meinen Schlafsack auf die warmen Fließen und hoffe das Beste.

Mittlerweile feuchten die neuen Socken langsam durch, die Stiefel haben auch nicht standgehalten und das Futter innen ist feiucht, ich habe Befürchtungen in die Bedroullie zu kommen. Ein paar trockene Strümpfe habe ich noch, was ist, wenn die Nacht nicht zum Trocknen reicht und morgen zwar weniger aber dennoch regnet?

Am nächsten Morgen scheint die Sonne und die Buschtrommeln behaupten das Wetter wird gut. Nur: Nichts ist über Nacht durchgetrocknet. Beim Zeltabbau die Kleidung noch auf das Gelände in die Sonne gelegt. Hilft nicht viel, ist aber mehr als nichts.

Ich wische mit dem Alibihandtuch aus Microfaser, weil es schnell trockenend sein soll, das Überzelt ab.

Zelt, Schlafsack kommen auf das Motorad und als Top das Handtuch und die klammen Socken unter die Befestigungsstrapes und -gummis. Fahrtwind kühlt, ach nee, trocknet.

Auf dem Weg im schönsten Wetter, Sonnenschein und akzeptable Temperaturen, höre ich Kunststoff über den Asphalt kratzen, ganz charakterischtisch, dann liegt eine blaue BMW quer auf der Straße, der Fahrer unter ihr. Leider direkt vor mir, ich kann links vorbei lenken und halte dann rechts an. Da ich den Sturz nicht gesehen habe, sind welche vor mir gefahren, nur wie sind die ausgewichen? Meine Aufmerksamkeit war fokussiert auf das Problem, alles andere war fast ausgeblendet. Ein liegendes Motorrad ist eine Barriere, da muß man ausweichen oder liegt daneben, vielleicht sogar darauf. Notfalls eben kontrolliert versuchen zu stürzen, um Schlimmeres zu verhindern. Nach Rechts scheidet aus, da würde die Masse auf den Kopf des Gestürzten treffen, nach Links geht auch nicht, trifft immer noch den Gestürzten, also versuchen Links daran vorbei zu kommen, dann kann man zwar immer noch vom Radl geholt werden, stürzt dann fremdbestimmt, aber wäre weiter vom Kopf des Bikers weg. Es hat gereicht um an dem Fahrzeug vorbei zu kommen, dann brauche ich das Motorrad auch nicht niederlegen.

Hätte jedenfalls auch schlimmer sein können. Der Gestürzte hat eine Hautabschürfung an der rechten Hand und einen kleinen Sachschaden am Motorrad, Spiegel und ein paar Kratzer. Das Motorrad wurde in den Lumpensammler aufgeladen und der Fahrer durfte im LKW zum Sachsenring mitfahren.

Damit nicht genug, beim nächsten Halt wird dem Gestürzten eröffnet: „Du nicht weiter mitfahren, du erst Krankenhaus.“ Uns das wo jeden Morgen bei Abfahrt das Gebet aufgesagt wird: „Jeder fährt auf eigenes Risiko mit.“ Vorher stand ich bei den Beteiligten in der Nähe und lauschte. Das gestürzte Motorad gab dem vor ihm Fahrenden noch einen Schubs an den Hinterreifen. Der berichtete: er mußte Bremsen daß das Antiblockiersystem eingriff. Die Polizei diktierte dem Zeugen: „Sie mußten verkehrsbedingt bremsen.“ Das ist zwar deren Standardformulierung, trifft jedoch nicht den vollen Sachverhalt. Bei einer Kolonnenfahrt gibt es in der Kolonne kein verkehrsbedingt.

Der Gestürzte fand sich am nächsten Morgen zur Weiterfahrt wieder ein.

In der Tour war der Wurm drin. Zuerst die Behinderung durch Mängel am Motorrad, Am zweiten Tag stelle ich eine gebrochene Haltung des Kameragehäuses fest und traute mich daher nicht das Teil auf dem Helm oder am Fahrzeug zu befestigen. Dann fahre ich eine Stunde mit offenem Tankdeckel. In Leipzig sind die über Nacht geladenen Ersatzakkus für die Kamera nicht mehr zu finden, ich vermute die im Zelt eingewickelt zu haben, was nicht stimmte. In Berlin fand ich sie in der Reisetasche unter den Bodenstabilisierungsplatten. Aber sonst hat sich Bolle köstlich amüsiert.

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