Geister, die ich nicht rief.

Geister, die ich nicht rief.

Geister, die ich nicht rief.

In den frühen Morgenstunden liegt ein Mann oben auf dem Regal. Ist eigentlich ziemlich unlogisch aber dennoch als Schatten gut zu sehen. Unlogisch, weil das Regal nur 35 Zentimeter breit ist und zwischen dem obersten Brett und der Decke ist echt wenig Platz. Was Wunder, daß der verschwindet, wenn das Nachtlicht angemacht wird.

Die ungewöhnliche Erscheinung kommt in der nächsten Zeit näher. Warum, weiß keiner. Sprechen können die Geister anscheinend auch nicht, jedenfalls ist nichts zu hören. Beim Xten Mal ist ein Unterarmstumpf fast vor meinem Gesicht, ich könnte, wenn ich wollte, den berühren. Der oder die Geister scheinen mit mir Kontakt aufnehmen zu wollen. Neugierig hole ich meine linke Hand unter der warmen Bettdecke hervor und will die Konsistenz dieses Teiles erfassen. Wie eine Seifenblase zerplatzt die Erscheinung und ist weg. Anfassen wollen sie sich also nicht lassen. In der Folge kommen ein paar Tage keine Erscheinungen. Anscheinend haben die Bewohner des Jenseits mehr Angst vor einer Kommunikation über die Dimensionsgrenzen hinweg als ich. Das könnte doch interessant werden. Und vielleicht gibt es doch ein Leben nach dem Tod.

Aber keine Panik, sie sind wieder gekommen. Der nächste Erscheinungsort war in der anderen Ecke des Zimmers, wieder oben auf dem Regal. Dort standen allerdings die Motorradpacktaschen, da ist kein Platz, auch nicht für noch so kleine Gnome. Hat also nicht überzeugt. Tag oder Tage später wanderten sie weiter im Regal. So wie Heinz Rühmann im Film mit dem Kopf durch die Wand kam, war im Regal etwas tiefer etwas Dunkles, was sich zu bewegen schien. Mit Licht und dem Versuch die Erscheinung zu berühren vertreibt man sie, wie kann man in dieser Situation vielleicht doch weitere Erkenntnisse ziehen?

Nun, auf die Dauer ist morgens mit solchen Geistern aufzuwachen beunruhigend und schließlich will man nicht vorzeitig wach werden und auf den Sonnenaufgang warten. Das Fenster bekam ein Sonnenschutzrollo und die Schattenspiele von der Hofbeleuchtung durch vom Wind bewegte winterkahle Bäume blieben vor dem Schlafzimmer. Seitdem haben die Geister anscheinend aufgegeben. Nur an dem vorzeitigen Aufwachen hat sich nichts geändert. Schade eigentlich, aber das ist der altersbedingten reduzierten Blasenkapazität bei Männern geschuldet, wie das ein Hausarzt erklären würde.

Dora hat vor Jahren ältere Frauen betreut, darunter war eine, die ihr berichtete: „Da sitzt eine Mann in der Lampe.“ Pragmatisch sagte sie dazu: „Da stört er nicht, laß ihn da sitzen.“

Auch die Geister haben eine rationale Erklärung: Da im Alter die Fehlsichtigkeit zunimmt und bei Dunkelheit verstärkt zum Tragen kommt, ersetzt das Gehirn das fehlende komplette Bild mit mehr oder wenigen zufälligen Erfahrungswerten. So war ich vor Kurzem bei jemanden zu Besuch, der einen Unterarmstumpf ohne Handprothese hat. Und wenn Heinz Rühmann mit dem Kopf durch die Wand kann, dann doch mein Geist auch.

Historische Geister haben die gleiche Herkunft. Was der Mensch in dunkler Nacht schlecht sehen kann, das wird mit Erfahrungswerten, Befürchtungen und Ängsten ersetzt. Vertreiben kann man sie nur mit Logik, was nicht sein kann, ist und hat kein Sein.

Was kann ich daraus lernen? Ooh, da ist ja die Erkenntnis:

Ich brauche Urlaub, Abenteuerurlaub, mein Leben ist zu Ereignislos.

Ganz wisenschaftlich auf der Suche nach den Geistern:
https://www.scinexx.de/news/biowissen/geister-erfahrungen-wissenschaftlich-erklaert/