Stihsel

Stihsel

Stihsel


Heute morgen war das Internet beziehungsweise das Kabel Deutschland wieder einmal ohne Signal. Was mache ich da? Über das Gestern und Stihsel resümieren. Zunächst einmal habe ich ein Bedürfnis nach einem guten Cello-Konzert. Rossini mag ich auch. Zum Glück habe ich ein bißchen offline verfügbar. Na so etwas, die kommen am 16. Mai 23 nach Berlin.

Samstagmorgen, ich bin relativ früh wach und noch pappsatt. Gestern war Netflixabend mit „mein Freund Stihsel“ und nen paar angekündigten Stullen zwischen den Episoden. Die Stullen wurden dann jedoch zu Orientalisch mit Olivenbrot und Pide mit Vorsuppe 1). Damit die Suppe „Struktur bekommt“ gab es drei Schälchen mit Granatapfelkernen, geröstetem Sesam und ebenfalls geröstetem Blumenkohl. Da es keine Suppenterrine sondern im Topf mit gut zwei Litern Inhalt für vier Personen gab, wovon eine sich als aktueller Friedensfaster erklärte, habe ich mich geopfert und die verschiedenen Strukturen probiert. Als gut erzogenes Kind orientierte ich mich an: was auf den Tisch kommt wird aufgegessen. Gemüsesuppe macht nicht dick. Kannste glauben. Und das machen die Vegetarier. Nur; es soll ja nach etwas schmecken. Im Nachhinein wurde offenbart mit Sahne den Blumenkohl aufgepeppt zu haben. Vorsichtshalber habe ich nicht gefragt, wie die Sämigkeit zustande gekommen ist. Guarkernmehl, Bambusfasern und ähnliche Hilfsstoffe sind in einem Privathaushalt meistens nicht vorhanden, wird also etwas gehaltvolleres gewesen sein.

Der Film beginnt, Sprache auswärts mit deutschen Untertiteln, manchmal in zu schnellem Wechsel der Zeilen. Der Akteur kommt in einen kantinenmäßig eingerichteten Imbiß und ordert „eine Kugel mit Essiggurken“. Er wird beschieden: es gibt keine Essiggurken. Das muß ein Frevel sein, da es ungläubig wiederholt wird. Es kann allerdings auch ein Bild in die Anfänge des israelischen Staates sein, was ohne origin speaker nicht zu verifizieren ist. Und was eine Kugel ist, die dort vielleicht das einzige Angebot ist, ist nicht zu erkennen. Die Kameraführung läßt mich nicht in die Teller sehen. Es sieht nach einer Kartoffel in wässriger Suppe aus. Also eine solche die von den Ahnen als mit mehr Augen die auf die Suppe sehen, als die auf der Suppe schwimmen, beschrieben wurde.

Welch ein Wunder das nach der Episode der zweite Hauptgang auch durchprobiert wird. Die magere Suppe ist präsent. Vorher war das Auberginenmus Thema, weil es irgendwie „komisch“ schmeckt. Bei der Vorbereitung wurde alles durchprobiert und nach Rezept die Gewürze dosiert. Die Früchte gaben keinen Anlaß vorsichtig zu sein. Es war voll in Ordnung. Nachdem die Gewürze zur Bestimmung gereicht wurden, habe ich gelernt, Kreuzkümmel hat nichts mit Kümmel zu tun und dieser war ein echtes Naturprodukt und jedenfalls mit der Dosierung ein Löffelchen zu viel. Wenn man den Auberginenmus mit ebenfalls gereichtem Humus vermengt, ist das vielleicht nicht kosher, aber eßbar. Schade nur das der Humus dabei seine Würzung verliert. Daneben einen Rote-Beete Salat, einen Tomaten-Gurken-Salat, wie es den auch beim türkischen Imbiß gibt und etwas Warmes. Pachouli, Schatouli (Cha-cha-cha war es nicht) oder so, eine rote Masse mit gelben Augen und Schafskäsebrösel. Sie hat einen deutlich süßen Geschmack von gegarten roten Gemüsepaprika. Selbstverständlich wird Brot dazu gereicht, was ich von meinem Griechen kenne, der auch zu Kartoffeln sein Weißbrot brauchte. Über den Joghurt mit Minze kann ich nichts sagen, habe ich doch glatt vergessen eine Probe zu nehmen.

Stihsel soll/will heiraten, was bei orthodoxen Juden nur über Heiratsvermittler geht und dieser von jedem Interessierten versucht wird zu eigenen Gunsten zu beeinflussen, also ein diffuses unausgesprochenes Hintergrundgemenge. Geschiedene oder verwitwete Frauen gehören nicht in die engere Auswahl, warum auch immer. Die individualen Interessen werden nicht benannt, aber die Interessen eines Königshofes an Verbündete scheinen wichtig zu sein. Die Dates mit den Potentiellen Kandidaten und Kandidatinnen finden auf neutralem Gelände statt, nämlich in den Lobbies von größeren Hotels, was zu prüfen möglich wäre, wenn ich da vorbeikomme. Eigentlich eine ganz praktische Entscheidung, die neugierige Augen auf Distanz hält, andererseits die Ausnahmesituation noch ungewöhnlicher macht. Auf was soll man achten, kann man achten?

Die drei, vier Folgen haben mich ratlos gelassen. Die einzelnen Problemchen und Hindernisse werden dargestellt, der Hintergrund beibt göttlich, muß man nicht verstehen, einvernehmliche Lösungen waren noch nicht erkennbar, aber alles ist unter dem Vorbehalt „sofern Gott es will“.

Gott wollte jedenfalls Rote Grütze als Abschluß. Das ist zwar gut, hat jedoch viele Kohlehydrate. So bin halt heute noch abgefüllt. Nur ist bei mir wieder das Internet ausgefallen, weil Vodafone kein Signal auf die Leitung schickt, was der Fernseher als unabhängige Instanz bestätigt. Den Service kann man anrufen, wenn man im Besitz eines Smartphones ist. Das hilft aber nichts, denn das ist ein Callcenter, das weisungsgemäß Märchen erzählt, wer halbwegs zuhören kann, bemerkt das freie Fabulieren. So mache ich eben etwas ohne Facebook, halt hier etwas zu reflektieren. Aber immer wenn ich eben kurz einmal etwas suche finde etwas anderes. Ja, Internet geht am Abend wieder und da finde die Story der Serie, die mir in den ersten Folgen nicht vermittelt wurden.

Wer sich fragt, warum es kein Bild vom Gelage gibt, ist die Antwort einfach, ich wollte mich dem eigenen Wohlbefinden hingeben, schließlich bin ich mit dem öffentlich-rechtlichen Nahverkehr teuer angereist.

Wie kam es zu diesem Filmabend? Ein Kommentator, Maxim Biller, einer deutschen Zeitung, der Zeit online, gab seine Meinung kund: mein Freund Stihsel sei die Rolle seines Lebens für Dov Glickman. Schon die Namen, die mir noch als beschreibende Charaktereigenschaften bekannt sind, von deren Hintergrund ich bislang keine Ahnung hatte, waren der Anlaß genauer hinzusehen. Hindernisse, wie ein Netflixabo mußten ökonomisch neutral umschifft werden, denn ein Abonnement frißt Geld und Lebenszeit, beides halte ich gerne unter meiner Kontrolle. Außer dem Schauspieler gibt es den echten Akiva, nur ohne den Zusatz Stihsel, dessen Aufgabe bei der Beratung des Films war „Zu sehen, dass die Haare richtig sind und dass das Setting von einer Wohnung richtig ist: Schlafzimmer – Betten getrennt.“ So richtig hat er wohl nicht hingesehen, denn als der Protagonist eine Antennensteckdose aus der Wand reist, weil seine Mutter unkosheres Fernsehprogramm bevorzugte, kommt nach dem Abfall der Antennensteckdose ein Kabel mit mehreren Drähten zum Vorschein. So ein Kabel hat alles mögliche nur kein Antennensignal.

  1. Anmerkungen (von Susette)
    Blumenkohlsuppe mit Tahini, sah auch so aus,
    Baba Ganoush – arabisch beleidigter Papa,
    und Sashuka.