Biker Summit – top of the mountain -2016

Biker Summit – top of the mountain -2016

Startzeit

Start Mittwoch 16:43, meine Funkuhr fotografiert, nachdem das Befüllen der Seitentaschen und das Vorbereiten aller notwendigen Sächelchen sich hinzog. Von Berlin soll es in einer ersten Etappe zum Geiseltalsee gehen mit einem neueren Campingplatz in Mücheln, einem gefluteten Tagebau. Wegen des warmen Wetters und dem relativem Zeitdruck möglichst noch zu Besuchszeiten dort anzukommen, wurde die Autobahn genommen allerdings nicht ganz zu der Zielausfahrt sondern ein, zwei Abfahrten früher, denn ein bisschen Spaß sollte dabei sein. Adresse war dann auch sehr präzise per Internet ermittelt: Werkstraße am Ende ohne Hausnummer. Das Navi bemäkelt die mangelnde Korrektheit der fehlenden Hausnummer, also bekommt es die eins.

Vor Ort fand sich die ewig lange Werkstraße und ich mußte feststellen: die Seilbahnstraße, wo Rudi vor Jahren wohnte, führt geradewegs auf die zu. Wichtig war jedoch das Hinweisschild Campingplatz. Ende der Straße war relativ leicht zu finden: Wo der See anfängt ist die Straße zu Ende. Klar, mit Zaun und Tor. Lediglich auf der linken Seite, die den unbefestigten Parkplatz darstellte, standen ein paar freundliche Verbotsschilder: Bergbaugebiet – Betreten verboten. Der See befand sich dahinter, also kein Zugang. Auf der rechten Seite eine große Schranke – verschlossen und sonst kein großer – auch kein kleiner – Verkehr.
Ein Pärchen kam von der Schranke und fragte mich nach einem Zugang. Davon wußte ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Aber von der Unsitte von jedem Besucher auf einem Campingplatz Eintrittsgeld zu verlangen, konnte ich berichten. Das ist so als wenn mein Vermieter für jeden Besucher meiner Wohnung einen Zusatzobolus zur Miete haben wollte. Die spinnen, und das sind keine Römer.
Auf einer Tafel stand zu lesen kein Zugang zum Badestrand, wie ich das später verifizierte, war es gelogen. Die meinten kein Zugang für die Öffentlichkeit. Ich konnte nur empfehlen, die Marina, also den Hafen für Sportboote drei Kilometer weiter. Allerdings schreckten die mich schon in der Vergangenheit mittels Parkplatzgebühren ab. Wanderer kommst du nach Mücheln, laß jede Hoffnung fahren. Die akzeptieren nur Bootsbesitzer und Fahrradfahrer.

Zunächst war ein anderer Eingang zu dem Campingplatz zu finden und er war ja auch gleich da. Ein zweites riesiges Tor versperrte die Erkenntnis daneben als Fußgänger diese Sperre zu umgehen. Nee, nee, ganz so einfach auch wieder nicht. Da endete noch der Abgrenzungszaun zum Campingplatz an einigen Stahlcontainern, die anschließend in eine irgendwie geartete Industrieanlage überzugehen schien. Vor dem ersten Container war eine Tür eingelassen, die überraschende Weise nicht abgeschlossen war. Direkt neben der Zauntür war an dem Container „Rezeption“ zu lesen. Der heruntergelassene Rolladen versprach das dann nicht unerwartete Ergebnis „Tür verschlossen“.
Ich habe auf dem Bau gelernt; da gab es auch nie jemand, der auf den Handwerker gewartet hat. Die Stahlcontainer werden abgeschritten. In der Mitte ist einer mit halboffener Tür. Mutig will ich den Raum betreten, doch ebenso neugierig kommt der Haus- und Hofhund zu der Tür. Er war nicht allein und das ersparte mir über Rassengrenzen zu kommunizieren. Ja, das war hier die Rezeption, und ein Zelt ginge, bei der Platzzuweisung konnte ich mich nicht des Eindrucks verwehren: ach, was soll ich denn jetzt mit dem Gast machen? Dabei war ich nicht der einzigste Mohikaner. Eine Terassenstufe vor der (neuen) Rezeption zwischen einem Hauszelt und einer urigen Gemengelage von größerem Allradfahrzeug mit Grill-/Feuerschale vor dem Heck, auffälligen Verstauungskrempel wie Surfbrett, vielleicht ein Schlauchboot oder sonst irgendetwas auf dem Dach, wurde mir zugewiesen und ich bekam einen Schlüssel für die Tür, der offensichtlich auch für die erst gesichtete Einfahrt war.

Meine kleine Zelttasche habe ich per Pedes geholt und das Kuppelzelt errichtet. Die zusammensteckbaren Fiberglasstangen haken immer etwas und dann ist da die Hürde diese in die Bodenhaken zu bekommen. Da kann man sich böse die Finger quetschen. Das war der einfachere Akt. Meine Neuerwerbung eine von zwei Luftmatratzen „Louis – mit eingearbeiteter Fußluftpumpe“, die beide in Collenberg mit Verpackungssack im Müll gelandet wären, wenn ich sie nicht gerettet hätte. Tja, in der Zwischenzeit nie ausprobiert und Fußluftpumpe ohne Funktion, jedenfalls ohne richtige Funktion. Auf dem genutzten Teil stand nicht Louis drauf, aber nachdem ich später die zweite geprüft habe, steht Louis drauf, die Pumpe funktioniert schlecht nämlich nur barfuß.

Da gibt es noch ein Ablaßventil und wo etwas heraus kann, geht es auch hinein. Die Funktionalität, das Zugangsröhrchen unten zusammenzudrücken damit die Schließklappe offen war, ist von meinem letzten Produkt dieser Art bekannt. Das habe ich nicht mitgenommen, weil es zirka 8 Zentimeter schmaler war als diese. Auf der kann man sich lediglich auf der Stelle umdrehen. Das ist Einschränkend.

In so eine Luftmatratze paßt ganz schön viel Luft rein. Meinen Kampf mit der Tücke, mit dem benötigten Volumen und meiner Lungenleistung bekam die Frau aus dem Hauszelt neben mir mit und bot eine Pumpe an, die sie mit hätte. Schon aus dem Grund am Anfang der Tour fremde Hilfe anzunehmen erteilte ich die Absage mit der Begründung, daß das die nächste Zeit auch ohne Hilfsmittel gehen müßte. Solange ich die Erkenntnis „warum“ nicht gewonnen habe, bin ich recht stur. Das muß doch funktionieren. Würde Louis sonst doch nicht machen!

Kastentransporter mit Motorschnauze
Afrikamobil

Minuten später kommt Nachbar von dem Afrikamobil vorbei und erkennt „die gute Louis-Matratze“, setzt mich in die Erkenntnis: die gab es vor ein paar Jahren überall, die war wenig brauchbar, die (Pumpe?) funktionierte nicht oder nicht richtig. Toll und kein Ersatz mit und vor allem: die Uhr tickte. Agnes und Rudi wollte ich, da schon direkt vor der Tür, besuchen. Das letzte Mal habe ich mich in Berlin angekündigt und dann vor Michendorf gescheitert. Die Autobahn war am Wochenende, Sonntagsnachmittag dicht. Stillstand. Völlig illegal habe ich mich auf die Standspur mit dem Motorrad geflüchtet und nix wie runter vom Highway, was nichts auch gar nichts geholfen hat. Denn alle Straßen im Umfeld waren ebenfalls dicht. Die einzigste Straße, die leer war, führte in eine Sackgasse mit einer großen Tankstelle. Nach mir kamen noch ein paar andere Flüchtlinge, Autofahrer sowie eine Gruppe Motorradfahrer, diese allerdings aus der Gegend. Leider konnten die nur Wege zum Fahren anbieten und nicht zielorientiert nach Mücheln. Klares Ergebnis: Wenn nicht geht, dann absagen, was ich denn auch machte. Vor diesem Hintergrund habe ich dann auch geschafft die Luftmatratze mit meiner Lungenkraft auf akzeptables Volumen zu bringen. Noch schnell den Schlafsack ins Zelt geworfen und telefonisch angefragt ob es recht sein, wenn ich auf einen Kaffee vorbei käme. Es war schon etwas nach 21 Uhr, aber noch hell.

Wie nicht anders zu erwarten kam die Frage, wo ich denn sei. Das war nun leicht zu vermitteln und in fünfzehn bis zwanzig Minuten könnte ich da sein. Also alles bei Tageslicht. Das hat dann auch auf die Minute geklappt. Antje machte die Hoftür auf, wie ich mit dem ungewohnten Geräusch eines Zweizylinder-motors zu hören war. Kaum abgestiegen kam ihre Mutter mit dem Kaffee. Punktlandung.

Um Mitternacht war ich zurück auf dem Campingplatz. Tür verschlossen, aber mit Schlüssel kein Problem. Ich jubel den Helm, die Jacke ins Zelt und setze mich hinein, die Füße in den Stiefeln natürlich davor. Endlich daheim, ach nee nur zur Ruhestätte. Irgendwie doch wieder später geworden. Beim Afrikamobil brannte noch die Feuerschale und Kollege kommt herüber und lädt mich auf ein Bier ein. Nach dem Kaffee hatte ich Durst – könnt ihr euch nicht vorstellen – und da er auch ein sympathischer Motorradfahrer war, nahm ich an.
Kollege ist mittleren Alters und an seiner Leistungsgrenze, seine Arbeitsfähigkeit ist nicht mehr die eines Werkzeugs. Sein ausgeübter Beruf hat seinen Körper beschädigt, da ist nicht mehr viel auszubeuten. Mit dieser Erkenntnis orientiert er sich nicht mehr an Karriere und da bislang das bedingungslose Funktionieren im Arbeitsprozess keine akzeptable Rentenerwartung erbracht hat, verschiebt sich sein Lebensziel auf Erhaltung seiner Gesundheit.
Der fährt Motorrad und zum Elefantentreffen. Da war ich erst letztes oder vorletztes Jahr. Alle vierzig Jahre komme ich auch. Aber das soll eine andere Geschichte sein. Elefantentreffen ist im Winter. Bei Gründung seinerzeits durch „Klacks“ wurde Wert darauf gelegt, dieses im Winter stattfinden zu lassen und es mußte Schnee gesichert sein. Wintertreffen, da hatte Kollege ein eigenes Motorrad vorgesehen. Ja, es gibt ein paar Wintertreffen mehr. Na ja, die Szene wandelt sich. Die Seehundrallye in Harlingersiel scheint es nicht mehr zu geben (da war ich einmal mit Johann Konken, der kam aus der Gegend). Dafür würde ich doch auch gerne die Schwarzpulverrallye mitmachen. Kollege sagt: das ist jedenfalls eine Erfahrung wert. Na, das nehm‘ ich mir doch auf die Liste, habe ich davon schon Berichte und Videoclips gesehen. Und noch ein paar andere Dinge mehr waren Thema. Wärmstens empfahl er mir die Fränkische Schweiz, die habe ich per Navigationsgeräteentscheid auf der Rückfahrt neu und anders erfahren. War zuletzt als ebenso unbekanntes Fichtelgebirge im Gedächtnis. Dort fing früher – nach der Transitstrecke – der Urlaub an, also erst noch ein paar Meter machen, bevor mental der Urlaub begann, der Alltag nach dem ersten Essen und der ersten Übernachtung verschwand.

Das Angebot auf ein weiteres Bier habe ich in Hinblick auf das zu erwartende Abenteuer – denn es schien sich nichts anderes abzuzeichnen, gerade in Betracht der Wettervorhersage bei Abfahrt – ausgeschlagen, obwohl …, aber ich bin jetzt unterwegs und das wird jetzt gemacht.

Habe ich geschlafen oder nicht? Eher weniger, denn die tolle, mit den kleinen Packmaßen, verlor Luft und daher verringerte sich der Komfort bis auf den Verlust desselbigen. Um drei Uhr dreissig höre ich ein Flugzeug. Na toll, Leipzig hat kein Nachtflugverbot und es scheint nicht weit genug weg zu sein. Wen wundert es, wenn ich früh, kurz nach Dämmerungsbeginn unruhig wurde und vor dem Zelt war. Jetzt besichtigte ich die Anlage.

Sicht auf den See durch Wohnwagen mit Vorgarten behindert.
In der ersten Reihe Wohnwagen

Wes Brot ich ess‘, war wohl die Intention der Betreiber. Erste Reihe entlang des Platzes zum See hin waren mit Wohnwagen inklusive umzäunter Randbegrenzungen belegt. Die zweite Terassenreihe ebenso. Kein Plätzchen für wechselnde Wohnwagen oder Hänger in der Nähe des Sees. Zelte schon gar nicht, mit diesen „Armen“ will der Emporkömmling nichts zu tun haben. Von dem öffentlichen Strand trennte ein Zaun und eine abfallende Böschung. Nicht auszudenken, wenn der Pöbel vom öffentlichen Strand auf den Campingplatz kommen würde, da müßte man die Tür auch verschlossen halten. Der öffentliche Strand war dann auch mehr ein Witz. Das war er per Baunutzungsplan, nur wie soll man da hinkommen. Richtig, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, bremst den Pöbel jedenfalls etwas aus. Das konnte ich mir nicht verkneifen und prüfte das beim Verlassen der Gegend zumindest oberflächlich.

In der Zwischenzeit packte ich meine sieben Sachen, ein Anderer irrte oben bei den Containern herum. Die Toiletten sind in der Regel offen und das waren sie denn auch. Wie es sich später herausstellte, da kam ein Frühaufsteher mit Hund zur Kontrolle, es klemmte nur etwas in der Dusche, anders war die Frage nach Nutzungszeiten der Dusche nicht zu verstehen. Genaueres interessierte mich weniger, so ließ ich die Betroffenen alleine zum Ort des Problems ziehen. Obwohl recht gemütlich das hin und her zum Motorrad mehrmals beschritten wurde, öffnete die Rezeption nicht. Von wegen neben dem Zelt geparkt, der Platz ist nur in der Zeit von bis zu befahren und Mitternacht gehörte nicht dazu. Ist ja verständlich bei den dünnen Wänden zu den Nachbarn. Der Schlüssel war abzugeben. Ich war startbereit und abends wollte und mußte, um entspannt die Etappe nach Ischgl zu machen, in oder bei Memmingen erreicht sein. War ja so im Groben geplant. Da war die Drohung mit den Niederschlagsmengen und –wahrscheinlichkeiten aus der Vorhersage. Achtzig Prozent Wahrscheinlichkeit bedeutet, man bekommt etwas ab.
Die Nachbarin mit der Luftpumpe schnarchte noch und ihr Hund gehörte nicht zu der Gruppe, die zu unchristlicher Zeit ihre Runde machte, von denen gab es auch zwei Gäste, ähh Hunde oder beides. Die Rezeption öffnete und der Schlüssel wechselte den Besitzer nicht ohne die Bemerkung, ich sei recht früh auf. Hah, es sei schließlich hell, gab ich zurück. Das „lange hell“ verkniff ich mir. Sonst bin ich auch nicht der erste auf der Baustelle.

Schon ging es los. Rechts neben der Werkstraße ein Zaun mit wiederkehrenden Schildern „Bergbaugelände – Betreten verboten“. Macht jedenfalls auf mich einen äußerst negativen Eindruck. Und diese Schilder haben die zu tausenden aufgehängt, das ist nicht einladend. An dem Schild „zum Badestrand“ fuhr ich zunächst vorbei, aber dann kehrte ich doch um. Den Zugang zum öffentlichen Badestrand wollte ich mir doch ansehen. Kurz hinter Schild war eine Wendeschleife mit einem Bushalteschild angelegt und ein weiterer Wegweiser zeigte zu einem Fußgängerweg in den Wald. Dort mußte er dann sein, aber ich wollte zum Strand und nicht eine Wanderung durch die schöne Gegend machen. Die Entfernung bin ich ja gefahren und das Beachvolleyballfeld war direkt unterhalb des Campingplatzes und da nehme ich nicht an, daß es sich um einen nicht öffentlichen zweiten Strand handelt. So ist das eben, wenn regionalpolitische Planer mit Steuermitteln ungebremst spielen können. Da ist der Aufschwung Ost (jedenfalls viel Geld) versickert.

Der Himmel freundlich, so beherzte ich die Empfehlung des Weimarer Schlossers und wies das Navi an Autobahnen zu meiden. Es war ein angenehmes Cruisen. Das Mopped signalisierte Bedarf an Treibstoff mittels gelber Alarmleuchte. Zudem hatte es ein matschiges Verhalten, so als ob man auf einem Honigbrot Gas gibt und das Fahrzeug sich versetzt. In Naumburg wurde getankt und die Luft in den Reifen auf Normdruck gebracht. Und das mit einem nervösen Zucken in den Unterarmen. Unterzuckerung, dringend Zeit zu frühstücken. Auf der gegenüberliegenden Seite lag ein Kaufland, hinübergefahren und dort durch den nächsten Zugang geschlichen. Shiet, erst einmal ein Gang an Wäscherei und sonstiges erhöht den Aufwand, frißt die Sekunden. Das ist schlimmer als mit fast leerem Tank zu fahren. Mit leerem Tank bleibt man stehen mit zu wenig Zucker im Blut fällt man ohnmächtig um. Durch die Eingangssperre, wo ist denn hier …, hier Non-food, ein langer Rollway nach oben, links könnte es ein, vorbei an Zuckerstoffe Nutella, Marmelade, rechts Paperware und die Brotabteilung. Gucke mal, frische Brezeln. Da nehmen wir a mal zwei und ein Brötchen als Reserve. Jetzt aber nix wie an die Kasse und raus. Eine Brezel dem Körper zuführen. Gerade so den Betriebsmodus erhalten und der Körper kommt mit einiger Verzögerung in den Normalmodus zurück. Jetzt noch einmal in den Laden, eine Flasche Wasser ist zum großen Teil zu bunkern. Da die Leistungsfähigkeit zurückkehrt, gehe ich die Parkplatzrampe nach oben und betrete den Laden von der oberen Ebene her durch die Obstabteilung. Obst enthält auch schnell aufnehmbaren Zucker und da nehme ich doch eine Schale Nektarinen mit. Klasse, Wasser ist unten zu finden. Das wärs, draußen genehmige ich mir eine Nektarine und die zweite grüßt mit Schimmel, habe ich doch genau die mit dem maroden Inhalt gegriffen und das wo meine Erfahrung schon nach prüfenden Blicken dieses Schälchen selektierte. Dieses Schimmelexemplar habe ich dann auch direkt auf dem Parkplatz verloren zur Mahnung an den nächsten Kunden doch die Auslage genauer zu untersuchen, jedenfalls bei den Nektarinen.

Jetzt fing es auch noch an zu tröpfeln, der Blick zum Himmel wurde interpretiert mit: Fluchtversuch möglich. Dennoch, zwei weitere Nektarinen waren nötig um die volle Betriebsbereitschaft meines Körpers anzuzeigen. Das Obst und das Gebäck noch in die rechte Packtasche verbracht um nicht gequetscht zu sagen und weg von hier.

Ein Medikament, welches die unangenehme Nebenwirkung hat Müdigkeit hervorzurufen, erinnerte mich an den schlechten Schlaf der Nacht und so war nach einer weiteren Stunde Pause angesagt. Diese Müdigkeit habe ich immer drei bis vier Stunden nach der Einnahme der Tablette und der Effekt ist der gleiche wie Übermüdung bei langen Autofahrten. Da das jedoch täglich passiert, lernt man damit umzugehen.

Ich legte mich abseits der Straße in das weiche üppige Gras und schloß die Augen. Der Platz war nicht optimal gewählt, er sollte ja nur ein paar Minuten dienen. Zweimal hielt jemand an und fragte ob alles in Ordnung sei. Es ist alles in Ordnung. Nun, bis auf die Verschlechterung der Bewölkung, der Fluchtversuch hat nur die Zeit für Pause gerettet. Die Bewölkung verfolgte mich, die sich in dieses versprechende bestimmte Grau entwickelte, dieses zuverlässige Versprechen.
Es war an der Zeit das Navi auf Leistungsmodus, sprich schnellsten Weg, umzuschalten und etwas zu schaffen. Vielleicht um doch noch erfolgreich zu flüchten. Wie befürchtet fängt es an zu regnen, runter von der Autobahn auf den nächst besten Rastplatz und Regenschutz überziehen. Nach mir fuhr eine Gruppe von drei Personen auf BMWs auch auf die Parkflächen und es war offensichtlich: mit der gleichen Intention.

Drei Leute stehen um die Motorräder, einer macht seinen Regenanzug noch zu.
Klar, Lederkombi jetzt unter der Regenpelle.

Die kamen aus Polen und wollten nach Zell am See. In Polen gibt es offensichtlich noch klassische schwarze Lederkombis ohne Signierung wie Dainese, FLM oder farbige Streifen oder Flecken. Da bin ich konservativ, das ist mein Stil. So sympathisch die Leutchen auch waren, die BMWs signalisierten: die fahren schneller als ich das für gut halte. So bin ich vor ihnen wieder gestartet. Die überholten mich später in dem örtlichen Schauergebiet. Leistungsfuzzis. Ich will nur bis Memmingen und nicht bis Zell am See. Das reicht. Saupreißn, Dammische. Bestimmt habt ihr auch das Wetter verursacht.

Nach Regen kommt Sonnenschein, diesmal auch richtig gut und länger. Die Gelegenheit genutzt und den Regenschutz wieder verstaut. Das war ein Fehler. Das nächste Schauergebiet begann an einer Autobahnbaustelle. Kein Rastplatz und auch kein Standstreifen. Richtig: Abenteuer. Wenn nämlich Leder nass wird, ist der nächste Tag keine Freude. Es regnete natürlich stärker. Eine Zeit lang macht es Lederbekleidung nichts aus. Dies ist jedoch begrenzt. Die nächste Ausfahrt genommen und klar kein Platz um zu Halten und sich den Bedürfnissen hinzugeben. Zum nächsten Ort gefahren und da lädt ein Baum mit zumindest reduziertem Wasserfluß von oben ein. Auf der anderen Seite ein Wartehäuschen, eine zugehörige Bushaltestelle habe ich nicht gesehen, aber einen kleinen Parkplatz, vier Fahrzeuge, der belegt war. Die Regenhose und – Jacke aus der Packtasche geholt, rüber unter das Dach. Es ist schön, wenn das dringendste Problem erst einmal beseitigt ist. Die Regenhose hat innen ein Netzfutter in dem sich der Stiefel gerne verhakt und zerstörerisch wirken will. Das Sinnvollste ist die Stiefel vor dem Überziehen der Hose auszuziehen. Das macht sich im Sitzen unter Dach einfacher als irgendwo angelehnt, den Stiefel als Auffangbehälter für Regenwasser vor sich und das Netzfutter als Widersacher verbindet sich mit dem Gleichgewichtssinn und will den Fuß auf die Erde zwingen. Da begreift man erst wirklich, welche Kapillarwirkung Baumwollsocken haben.

Blick auf ein Autobahnschild bei regnerischem Wetter
Zwangspause zum Regenzeugs überzuziehen.

Die Intensität des Starkregens läßt nach auf Normalwerte und ein PKW fährt vom Parkplatz weg. Die Frau hat da nur abgewartet bis ihr Scheibenwischer wieder leistungsfähig genug für den Regen war.

Ich zog noch meine Fahrradhandschuhe sowie den Regenschutz hierfür über und so konnte es weiter gehen. Meine Lederhandschuhe sind meinem Gefühl in den Händen abträglich geworden, irgendwie zu steif, das Innenfutter marode geworden und entfernt. Nun ergibt es innerhalb kürzester Zeit schmutzige Hände. Die Fahrradhandschuhe waren preiswert und halten warm. Nur wie machen die das? Letztes Jahr hatte ich auch einen Gewaltritt von Nürnberg nach Berlin zu absolvieren. Die gesamte Strecke Regen, Starkregen und auch ein paar Minuten wo es nur nieselte. Die Handschuhe saugen sich voll, da kommt nach der Sättigung kein neues Wasser nach und es findet sich eine mehrstufige Schicht isolierendes Element in den Handschuhen. Bei jedem Ausziehen der Handschuhe kann man diese pressen und es fließt dann ein Teil der Füllung wieder ab. Trocken werden sie so schnell nicht. Die Hände sehen nach Stunden der Benutzung halt gut gefeuchtet aus. Zu lange in der Badewanne gelegen und immer warmes Wasser nachgefüllt. Daher die zwei Komponentenweise der Nutzung, Fahrradhandschuhe und der Nylonschutz darüber.

Für die Nacht in Memmingen hatte ich ein Gasthaus für regnerisches Wetter und einen Campingplatz für trockenes Wetter geplant. Dort war es trocken und daher open-air angesagt. Nur wie finde ich den Eintrag der Adresse im Navi wieder? Die Points of Interest halfen trotz der archiescamping Datenbank nicht weiter, die ließen sich nicht einmal aktivieren. Lediglich die Plätze aus der Zumo-Datei wurden mir angeboten. Irgendwie habe ich mich doch fraktal an die Speicherung erinnert und fand unter den Favoriten den geplanten Platz. Dafür mußte ich dann ein ganz schönes Stück in die falsche Richtung – nämlich zurück – fahren. Der Park-Camping Iller hatte noch nichts von Regen gehört. Der Rasen war saftig grün aber nicht gesättigt feucht, die Sonne schien und die Temperatur sommerlich angenehm. So etwas über zwanzig Grad Celsius, also T-Shirt-Wetter. Vom demografischen Wandel haben die auch noch nichts gehört, es liefen so viele kleine Kinder dort herum. Kleine Kinder, also gesittet und nicht wie auf dem Schulhof einer Grundschule, wo das Leben in der halben Stunde unterrichtsfrei im Lärmpegel konzentriert wird.

Das Zelt habe ich an einer schönen Eingangsecke aufgestellt und hole meinen Schlafsack, da fällt mir die Lampe am Zaun hinter meinem Zelt ins Auge. Der Nächste der hier lang ging wurde gefragt, ob die Lampe die ganze Nacht brennt. Wußte er nicht. Der muß wohl nachts schlafen und hat kein Problem damit. Da war Umzug angesagt. Das Zelt oben an dem Fiberglaskreuz greifen und zwanzig Schritte auf die andere Seite zu tragen ging nicht mit der Motorradfunktionsjacke und dem was man darin so verstauen kann. Die mußte aus dem Zelt. Wie die Fachwelt erkennt, benutze ich nur in begründeten Fällen Heringe oder Erdnägel. Abspannungen haben ihren Sinn. Ich hatte jedoch beschlossen, daß es hier nicht regnen wird. Das Überzelt wird nur unter das Kreuzgestänge mit den Gummiringen geklemmt und fertig is. Man faßt oben an das Kreuzgestänge, hebt das Zelt an und geht los. Der Boden hängt zwar etwas durch und das Zelt nimmt einem die Sicht, weil es eben etwas höher gehalten werden muß. So ein Umzug geht schnell und hat wenig Aufwand.

Der Untergrund war weich und nicht kühl, so beschloß ich auf die Luftmatratze zu verzichten. Ich habe diesmal sehr gut geschlafen. Gut, es war wieder zu perfekt. Hinter dem Zelt war eine Böschung die hinunter zu einem Bach führte. Das Plätschern ist ja beruhigend und nachts stolpert da niemand entlang. Tagsüber auch nicht. Es gab nachts ein Schattenspiel neben meinem Kopf an der Zeltwand als ob da ein Tier irgendetwas erkunden wolle. Dieser psychische Effekt befällt mich immer, wenn das Plätzchen ideal ist. Die Geister kommen halt, wenn man sie nicht ruft.

Zwei Uhr fünfzig, Unterzuckerung, wieder grenzwertig. Wo ist mein Nottraubenzucker in der Jackentasche, die größere Ration ist in der Medikamententasche und dem Waschzeug, das suchen wir erst einmal nicht. Drei von diesen fünf-cent großen Scheibchen eingeworfen, dann das halbe Brötchen gesucht und weg gemümmelt. Das reicht, um bis morgen früh zu schlafen. Die Insulingabe muß angepaßt werden und zum ersten Frühstück, Tabletten eins bis fünf, nur Butzucker gemessen und Insulin eingespart.

Der nächste Morgen brachte hervorragendes Wetter, das Überzelt hatte ordentlich Kondenswasser gesammelt und ein anderer Motorradfahrer hatte seines an den Zaun mit dem einzigen Sonnenfleck gehängt. So besuchte ich die Naßzellen, polierte meine Beißerchen, stopfte den Schlafsack, die Sonne wanderte weiter und mit ihr Kollega mit seinem Überzelt. Meines habe ich dann mitten auf der Wiese in einen Sonnenfleck gelegt, was nicht viel geholfen hat. Das ist hier nicht mit Griechenland vergleichbar. Also Schütteltango und eingerollt, die Spannstäbe auseinander gerupft und alles in die Tasche. Ich laß mir doch nicht einen schönen Tag nehmen mit schlechter Tauwasserverdunstung. Es steht frühstücken und Pferd versorgen – sprich Tanken – an. Der Akku des Scala Rider hängt zum Laden über dem Navi damit dieses später wieder mit mir über die Helmlautsprecher reden kann. Im Moment ist das nicht nötig. Programmiert ist es auf Ischgl mit Vermeidung von Autobahnen. Eine Tagesleistung unter 200 km hat ordentlich Luft für ad hoc Spaß und Erkundung. Als Zwischenstopp ist die nächst erreichbare Tankstelle vorgesehen ohne zu wissen wo diese sich befindet. Lediglich die Entfernung gab mir der Assistent an. Rechts fettes grünes Gras die glatte trockene Straße voll im Sonnenlicht ein warmes Gefühl von der Einstrahlung.

Zwei große Werbefahnen senkrecht an Fahnenmasten mit WIese und Waldweg.
Die Abfahrt in Richtung Dorf vom Campingplatz Iller bei gutem, bestem Wetter.

Das kann nur gut werden heute. Nach ein paar Einfamilienhäuschen mit Garten wird die Hauptstraße erreicht und rechts abgebogen. Da winkt doch schon eine Bäckerei zum Halt. Über die leere linke Fahrspur auf den Vorplatz gerollt und zielbewußt die paar Stufen ins Ladenlokal. Grüß Gott, was darf’s sein? Ich stehe vor den Zuckerschnecken, die nicht. Eben war der Blutzucker im Zielbereich, da gibt es keine Zuckerwatschn. Ich weiß noch nicht, ein Blick nach rechts und einen nach links. Eine Käsestange und ein Brötchen, nein, kein Brötchen sie haben da eine Brezel, die hätte ich gerne. Eine Frage, ob es sich bei dem Käse auf dem Teig um Analogkäse handelt, erspare ich mir. Sagt die Verkäuferin dann: das ist Analogkäse, ist das Käse und was esse ich dann? Ich will es nicht wissen. Es ist ein Trauerspiel mit der Ernährung. Soylent Green, die Meere sind leergefischt, das Massenernährungsmittel mit Gehalt ist Soylent Green und besteht aus Fleisch von zielgerichtet verarbeiteten Menschen aus den „Krematorien“. Das verdirbt mir nicht den schönen Morgen. Gell, schönen Tag noch.

Einige Zeit später durch die Jejend kutschierens werden auch die fünfzig Pferde gefüttert und nun suchen mir a Plätzche wo’s Frühstück `genehm ist. Das Navi sagt geradeaus weiter, links geht zur Autobahn und rechts zu einem Dörfli. Nur geradeaus ist Wiese und Wald, nicht einmal ein landwirtschaftlicher Zugang. Drehen wir und nehmen Dörfli in‘s Visier. Vor der Einfahrt nach Aitrach ist ein Kreisverkehr und davor eine Haltebucht mit zwei Tafeln zur Orientierung. Auf dem Hügel im Kreisverkehr befindet sich Kunst, die dem ehrenden Andenken des Berufstandes der Flößer gedenkt.

Blick auf eine Verkehrsinsel
Kreisverkehr mit Kunst auf dem Hügel.

Ja gefällt mir und zwar Kunst und Erläuterung. Allerdings eine Sitzbank mit Ablage wäre noch einen Tick besser, so mußte der Bordstein und meine Packtasche herhalten.

Erläuterung der Kunst und die Einwohnerzahl von Aitrach
Erläuterung des Kunstobjekts in Aitrach.

Die Karte, ja das Zeug aus Papier und bedruckt, besagt mir: bis Memmingen ist noch ein ganzes Stück. Da wollte ich doch gestern schon sein (war ich ja auch), jetzt machen wir einen Sprung und ziehen doch etwas Autobahn ins Kalkül. Habe ich dann auch getan, allerdings nur bis zur nächsten Abfahrt und da sollte doch das Navi wieder Fuß fassen und mich leiten. Geleitet hat es mich. Zu einem Kreisverkehr mit einem ähnlichem Kunstwerk. Es war das Flößerteil von der anderen Seite. Hätte ich doch vorher gleich umrunden sollen. „Die Wege des Herrn sind unergründlich.“

Ja, Elwood.

Noch einmal Autobahn, Memmingen Nord, Süd, West, Oben, Industrie. Erst einmal vorbei. Das Navi ausgeschaltet, ob ein Reset notwendig ist und wie man das macht, hoffte ich damit umgangen zu haben.

Runter von der Autostrada, das Navi bekommt eine neue Zieladresse, auch weil die Planung durch St. Anton zu fahren durch die Flößeroperation zeitlich nicht abschätzbar geworden ist. In Ischgl war Termin und vorher sollte Hütte zum Nächtigen gesucht werden. Gesucht, weil die Adresse im Internet nicht genau genug beschrieben war.

Beim letzten Tanken wurde nur ein geschätzter Anteil Benzin nachgetankt, der bis zur nächsten Tankstelle in Österreich zu reichen brauchte. Dort ist das Benzin zehn Cent günstiger. Obwohl das Navi die Grenzen kennt, hilft es nicht das Tanken kostengünstig zu organisieren. Das kann man verbessern. Völlig überraschend war ich an der Grenze.

Alarm, bimmel bimmel. Autobahnmaut, Vignettenpflicht. Vignette hatte ich nicht und Autobahn wollte ich ohnehin nicht. Ich war auf einer Straße nur für Autos. Also runter. An der Abfahrt stand auf der anderen Seite, der Auffahrt, ein Schild B188 keine Vignette und mautfrei. Ach so, hätt‘ ja auch an der Grenze stehen können, aber so verkaufen sie ein paar Vignetten mehr. Na denn die Straße überquert und weiter.
Es ist nicht mehr weit, durch einen Tunnel und es fängt zu tröpfeln an. Zielgebiet mit versprochenem Wetter erreicht.

Tafel mit der Begründung der Intention für diese Kapelle.
Die Kapelle wurde zu Ehren eines Aufstands errichtet. „Mutter Gottes schütze dieses Tal“

Vor einem Heiligenbildchen mit zwei brennenden Kerzen davor und vor allem mit einem Dach die Regenteile übergestülpt. Das Heiligenbildchen entpuppte sich gemäß der seitlich montierten Erklärung als Gföllkapelle, die an einem bäuerlichem Aufbegehren / Aufstand erinnerte. Gut so. Ja, und die Erklärung für den Halt gerade hier: Regenhose anziehen mit Stiefel aus und anziehen möglichst im Trockenen. Wozu Religion alles gut ist. Bergfahrt macht Spaß, auch wenn es feucht ist.

Einmal zu viel auf die Knöpfchen der Kamera gedrückt und es gibt alle paar Sekunden ein Einzelbild. Shit happens.
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