Stolpersteine eine Berichterstattung

Stolpersteine eine Berichterstattung

Stolpersteine eine Berichterstattung

Letztes Jahr (2014) habe ich ein Urlaubsvideo zusammengestellt, dabei tauchte bei dem Schnitt mehrfach das Thema der Blues-Brothers auf: Die Wege des Herrn sind unvorhersehbar.

Da störte das Job-Center mit einer Vorladung, die die Einladung nennen. Angeblich um über meine berufliche Zukunft zu reden. Was wollen die mit einem 62jährigen Schwerbehinderten bereden. Eine Fortbildung in einem vom Arbeitsmarkt akzeptierten Bereich haben die nicht, ist denen unbekannt und übersteigt deren Vorstellungskraft und natürlich bei den niederen und allen anderen Rängen jegliches Interesse. Ein neuer Besen, neue Sachberaterin – Anfang zwanzig – glaubt mich aus der Statistik zu bringen. Doch zufällig kam die Information, dass die Initiative Stolpersteine in Tempelhof-Schöneberg heftigst die Nichtbesetzung einer Koordinierungsstelle beklagt und dem Bezirksamt Berlin Tempelhof-Schöneberg zusetzte. Das wäre doch etwas für mich.

Stolpersteine finde ich gut. Nachdenken was man so tut und was andere getan haben, relativiert das eigene Erleben oder bestätigt die Schlechtigkeit der deutschen Obrigkeit und deren Diener. Letzteres allerdings wesentlich intensiver. Und sicher: Es hat sich nicht viel geändert. Die Institution JobCenter könnte genauso gut Arbeitslager, Arbeitserziehungslager und ähnliches bedienen.

Also, dem neuen Besen trug ich vor, an dieser Sache Interesse zu haben. Aber Job-Center-Verwaltung weiß immer von nix, die Gute wollte sich aber darum kümmern. Das hat sie auch. Ich bekam einen Termin bei einem Träger (einem Sozialschmarotzer – wie kann man einen Betrieb anders bezeichnen, der ausschließlich davon lebt, Menschen als Produktivmaterial zu eigenem Nutzen zu verwerten).

Bei dem Bewerbungsgespräch insistierte die Mitarbeiterin des Projektträgers darauf, dass ich bei der eigentlichen Bewerbung bei der Dienststellenleitung, dem Heimatmuseum Berlin-Bezirk-Tempelhof-Schöneberg mich unter allen Umständen über die Darstellungen der Stolpersteinlegungen kundig machen sollte. Einem solchen Ansinnen komme ich natürlich nach, es riecht einfach verdächtig. Ich danke dieser Frau, sie hat mich motiviert die Umstände vorher anzusehen.

Monetarist oder arm und von Hartz 4 abhängig, wie ich bin, schaue ich auf das Geld. Mir wird ein „ordentlicher Arbeitsvertrag“ als erstrebenswerter Wert angeboten. Mindestlohn garantiert! Allerdings nur 30 Stunden-Woche. Rechnen wir doch glatt nach.

Ergibt: „the poor working“. Trotz dieser Tätigkeit reicht das Einkommen nicht um die Miete und Lebenserhaltungskosten zu bezahlen. Dem Grunde nach ist das eine Gesetzesumgehung und nicht zulässig. Das ist nicht erstrebenswert! Kann es nicht sein, wer will denn der Hampelmann sein, einer zieht am Faden und der Hartz-4-Empfänger zappelt. Wenn jemand herumzappelt sind Schäden nicht auszuschließen.

Ich habe in meinem Leben mehr oder weniger Sachen gemacht, die nicht bezahlt wurden und die ich aus idealen Gründen bewusst trotzdem gemacht habe. Ein Lehrer von mir – Lindgens, Altphilologe – sagte: bei den alten Griechen galt als höchstes Gut die politische Einflussnahme. Nun, man muss es sich leisten können oder Opfer bringen. Egal, ich will Einfluss nehmen.

Stolpersteinsetzung anno dunnemals war ein politischer Akt gegen die Nationalsozialistische Verdrängungskultur in Deutschland. Das würde oder hätte ich mir auch etwas kosten lassen.

Ja, andere Menschen auch. War am Anfang der ideale Aspekt im Vordergrund, so wurde er korrumpiert. Freilich schleichend, wer verweigert sich einem besseren Einkommen. Nein, ich auch nicht. Doch die Signale für den zentralen Akteur waren deutlich. Das zuständige Finanzamt bestritt für die Stolpersteine in einer mehr manufakturellen Produktion und Vermarktung den künstlerischen Ansatz und wollte den kommerziellen Steuersatz auf den Umsatz erheben, also statt 7% die normalen 19 Prozent. Spekulanten auf positive öffentliche Meinung haben öfters den Kontakt zur Wirklichkeit verloren. Anders kann man die Entscheidung des Nordrhein-westfälischen Ministers nicht werten. Er hat die Ansicht der Verwaltung einer Prüfung durch die Gerichte entzogen, er wies der Finanzverwaltung seine Ansicht an. In meinen Augen ist der Minister ein Lump, der vorsätzlich zu Gunsten eines Einzelnen Steuern verkürzt. Er dürfte kein Vertreter des Volkes sein.

Anders als lamentierendes Jaulen überzeugen berechenbare Zahlen. Auf der Seite http://www.stolpersteine.eu/start/[1] steht: „Für 120 Euro kann jeder eine Patenschaft für die Herstellung und Verlegung eines STOLPERSTEINS übernehmen.“ Unter der Rubrik Technik wird festgestellt: „Das Projekt ist im Januar 2015 auf 50.000 verlegte Steine … gewachsen.“ Eins und eins ist zwei. Ergibt 6 Millionen Umsatz.

Der Mann arbeitet dafür. Ja, wirklich? Nachzulesen auf der Webseite[2] „Deshalb bitten wir Sie, die Familienschicksale für die Zeit 1933 bis 1945 möglichst umfassend zu recherchieren und zu übermitteln.“ „Bitte ermitteln Sie zusammen mit den Inschriften die richtige Verlegeadresse und geben Sie diese an.“ Klar, er bekommt damit alle Rechte an der geleisteten Arbeit und zur weiteren Vermarktung. Dafür hat er im Moment zwar keine Zeit und Kapazität frei. Der Mann wird auch älter und vielleicht schafft er eines Tages die Arbeit auf der Straße nicht mehr. Einen Adlatus hat er jedenfalls im Frühjahr 2015 in Berlin mitgeführt.[3]

„Die Steine werden von unserem Bildhauer Michael Friedrichs-Friedlaender (Berlin) in Handarbeit angefertigt.“[4] Nun, wofür hat man Freunde, wenn es einem gut geht, kann man die auch beteiligen.

Der Mann hält einen Vortrag. Ja, kann man dazu buchen. Vortrag 50 Minuten mit anschließender Diskussion kosten 200 Euro und eventuelle Übernachtungskosten.[5] Der Vortrag bezieht sich jedoch auf sein Werk: „Stolpersteine – Spuren und Wege.“ Multiple Verwertung ohne besonderen Mehraufwand.

Meine Kritik, dass der Mann bei diesen Umsätzen sich nicht bereichern und das Projekt in eine Stiftung überführen sollte, hat keinen Wind mehr. Ab Januar 2015 ist jedenfalls eine Stiftung „Spuren-Gunther Demnig“ eingetragen. Bislang sind allerdings Satzung und Vorstand nicht veröffentlicht.[6] Allerdings hat Helmut Lölhöffel, der das so frei behauptet und dessen Angabe zu der Lobhudelei in der letzten Fussnote hervorhebt „Berliner Senatssprecher“ gewesen zu sein, übersehen oder vorsätzlich nicht zur Kenntnis die Veröffentlichung im Stiftungsverzeichnis für das Land NRW genommen. Unter Stiftungsvertretung steht: Stiftungsorgan: Vorstand – Vertretung: Gunter Demnig (Alleinberechtigung – beachte § 12 Abs. 3 StiftG NRW ! -)[7] Somit kann der Mann frei im Rahmen des Satzungszweckes agieren. Das ist ziemlich umfangreich. Der Verdacht liegt allein schon aus dem Namen der Stiftung nahe, dass es sich da wohl mehr um eine Familienstiftung zum Wohle und zum Ruhme Gunther Demnigs handelt.

Im Jahre 2006 schrieb Frau Doktor Dengler-Schreiber „Gunter Demnig hat heute bis an den Rand der Erschöpfung weitere Steine verlegt, für 21 von 378 aus Bamberg verschleppte und ermordete Menschen.“[8] Frau Doktor ist schon jenseits gut und böse, was leisten heute Strassenpflasterer. Auf jeden Fall ein Mehrfaches wie Gunther Demnig. Da wird in Quadratmeter abgerechnet und nicht in Steinen. In Berlin war die Tagesleistung 22 Steine, das scheint seine Tagesleistung zu sein. 2640 Euro Umsatz plus eventuelle Zusatzerträge.

Ebenfalls auf der Homepage unter aktuell vom Juni 2014 erfährt man: „Wir (…) können pro Monat 440 Steine herstellen und verlegen. Unser Bildhauer Michael Friedrichs-Friedländer schlägt jeden Buchstaben mit der Hand in das Messing ein. Gunter Demnig verlegt bis auf einige Ausnahmen alle Steine selbst.“

Mir ist jetzt ein Stein untergekommen. Das sind eine Menge einzelne Stanz-/­ Gravier­schläge.
Ohne Optimierung ist so etwas fehleranfällig und möglichst zu reduzieren. Sicher ist die Verwendung nur von Großbuchstaben der Les- und Haltbarkeit ge­schuldet. Hier wäre eine Inaugenscheinnahme sinnvoll und nicht der Berichterstattung einfach zu glauben.[9] Daneben scheint sich es auch eine Problematik mit dem Text, bw. den Begriffen zu entwickeln. Nationalsozialistische Begriffe sollten nicht nur als historische Fakten sondern auch funktional bewertet werden.

„Die Nationalsozialisten haben Menschen in Masse ermordet. Die Steine sollen die Namen zurückbringen und an jedes einzelne Schicksal erinnern. Jeder Stein soll per Hand gefertigt und per Hand verlegt werden. Die Verlegungen sind keine Routine; jedes Schicksal bewegt uns und soll bewegen. Wir möchten bewusst keine Massen­verlegungen, um der damaligen Massenvernichtung etwas entgegenzusetzen.“[10]

Insgesamt ein hehres Ziel, das „Invidualisieren“. Angesichts der großen Zahl kann das wenig glaubwürdig sein und das Video von der Verlegung am 26.3.2015 in Berlin zeigt etwas anderes.[11]

Im Dokumentationsvideo (https://youtu.be/10V8ObHbu4E) der Stolpersteinverlegung machte ich eine Pause, um auf die Toilette zu gehen. Im Rathaus Berlin-Kreuzberg war die Bürgertoilette unter Wasser und verstopft. Aufgeben war nicht drin, weil meine Medikamente treiben. Der Pförtner schickt mich zur Kantine hinauf und dort begrüßt mich ein Schild mit dem Text „Verdienen sie, was sie ver­dienen“.

Das Angebot des JobCenter beinhaltete doch eine Vergütungsregelung unter den Erhaltungssatz und zwingt ergänzende Leistungen zu beantragen. Da war es wieder „die Wege des Herrn sind unergründlich.“ Der göttliche Auftrag die Stimme zu erheben. Das Plakat hatte zwar eine andere Intention und meinte die Un­gleichbehandlung von Frauen. Jedoch auch ALG-II-Empfänger haben ein Recht auf Gleichbehandlung.

Argumente die von der Leiterin des Heimatmuseums, bei dem die angebotene Stelle angesiedelt ist, ins Feld geführt wurden:
Der Künstler hat das Urheberrecht.
Völliger Quatsch – die Lebensdaten der Ermordeten hat der „Künstler“ nicht geschaffen. Selbst wenn er Mittäter wäre, blieben die Daten bei den Personen. Das kann sich der Bub nicht aneignen.
Ein Messing-Täfelchen mit ein paar Buchstaben hat keinen künstlerischen Tiefgang. Daran mag auch die sprachliche Hervorhebung der Steine als Skulptur, die der Hamburger Verfechter wählt, nichts ändern. Bei dem Gesamtkunstwerk „Stolpersteine“ sind einige nicht von Demnig hergestellt und verlegt worden.[12] Da wird schon schwierig mit dem Zuordnen des Werkes zu einem Einzelnen.
Schwierig wird es da schon beim Markenrecht. Das muss man sich genauer ansehen. Wenn es sich bei den Stolpersteinen um ein Markenprodukt handelt, dann hat es keine Berechtigung im öffentlichen Straßenland verlegt zu werden, denn damit wird das öffentliche Eigentum beeinträchtigt zu Gunsten des Markenrechtinhabers und gleichzeitig allen anderen das Recht auf „Stolpersteine“ entzogen, also wird gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Es muss auch möglich sein „Erinnerungssteine“ ohne die Marke Gunter Demnig verlegen zu können. Es gab „Stolpersteine“ bevor in Deutschland das Recht auf eine Wortmarke kreiert wurde. Fraglich ist ob diese Wortmarke vom Patentamt beschützt werden dürfte. Leider ist das nur gerichtlich mit erheblichen Kosten von einem Mitbewerber zu klären.

Für die Bezahlung ist nicht der nutznießende Arbeitgeber das Heimatmuseum Tempelhof-Schöneberg zuständig. So einfach ist das.
Jedenfalls hat die „Gute“ den wirtschaftlichen Teil des Arbeitsangebotes nicht gekannt. Tja, schlechte Vorbereitung auf ein Bewerbergespräch.

Unternehmer verdienen eben mehr, das ist so. (Zitat JobCenter Mitarbeiter)
Allerdings müssen sie dafür die Angestellten anständig behandeln und bezahlen. Da die Arbeitsverwaltung anständig behandeln nicht kennt und schon kräftig den Rechtsstaat verbiegt, wollen die Unternehmer nicht abseits stehen und drücken die Löhne unter das Reproduktionsniveau. Das funktioniert, weil die Arbeitsverwaltung die Unterwerfung unter diese Bedingungen mit den Drohungen von Kürzungen der Unterstützungsleistungen erzwingt. Das nennt man strukturelle Gewalt.

Da wird vom JobCenter strukturelle Gewalt zu Gunsten des Stolpersteinverlegers Demnig ausgeübt.
Selbstverständlich wird er davon nichts wissen (wollen). „Ich bin‘s nicht, Adolf Hitler ist‘s gewesen“ so der Titel eines Theaterstücks zur 750 Jahrfeier in und über Berlin.[13]

Die Kritik an dem Geschäftsmodell „Stolpersteine“ wird zunehmend lauter und vielfältiger,[14] Obwohl die „Mär von dem arm lebenden und schwer arbeitenden Künstler“ missionshaft wiederholt wird, ist bei dem Umsatz das Glauben schwer geworden.

Werner Müller
w_mueller (at) rabensoft.eu
Die Stolpersteine im Kopfbild befinden sich in Berlin, Oranienstraße 120. Ich sammel weitere Abbildungen von weniger gepflegten „Stolpersteinen“.


[1] Abruf 15. Mai 2015

[2] http://www.stolpersteine.eu/fileadmin/pdfs/STOLPERSTEINE_ErsteSchritte_2015.pdf, Abruf 15. Mai 2015

[3] https://youtu.be/10V8ObHbu4E?t=34s

[4] http://www.stolpersteine.eu/technik/#c326

[5] http://www.stolpersteine.eu/technik/#c328 ; Auf die Vortragskosten kommen noch 19 % USt. Und somit ist der Preis nicht korrekt nach der Preisangabenverordnung angegeben. Für Endverbraucher ist der Gesamtpreis anzugeben.

[6] http://www.blog-der-republik.de/unbeirrt-von-noerglern-und-gegnern-auch-von-widerspruch-seiner-anhaenger-setzt-der-kuenstler-gunter-demnig-sein-einmaliges-werk-fort-seit-20-jahren-verlegt-er-stolpersteine-von-geilenkirchen-bis-r/ .

[7] http://www.mik.nrw.de/nc/stiftungsverzeichnis-fuer-das-land-nrw/alle-stiftungen.html?tx_szstiftungsvz_pi1[page]=73&tx_szstiftungsvz_pi1[uid]=4210&tx_szstiftungsvz_pi1[sortDir]=ASC&tx_szstiftungsvz_pi1[sortBy]=sitz&tx_szstiftungsvz_pi1[single]=1

[8] http://www.willy-aron.de/Arbeitspapier02_2006.pdf , S4.; Abruf 22. Mai. 2015.

[9] Taz vom 30.9.2011.

[10] http://www.stolpersteine.eu/aktuell/ unter Juni 2014.

[11] https://youtu.be/10V8ObHbu4E .

[12] In Wien konkurrieren zwei verschiedene Gruppen um dieses Geschäftsfeld. http://www.stadtbekannt.at/steine-der-erinnerung/ Abruf 16.11.2015

[13] http://www.berliner-zeitung.de/archiv/stadtgestalten—hermann-van-harten-spielt-seit-achtzehn-jahren-dasselbe-stueck—ich-bin-s-nicht–adolf-hitler-ist-es-gewesen–das-lebende-mahnmal,10810590,9955492.html ; Abruf 16.11.2015
http://www.freietheateranstalten-berlin.de/ , Abruf 16.11.2015;
Es scheint 2012 die letzte Vorstellung gewesen zu sein, da das Land Berlin die Spielstätte dilettantisch privatisiert hat.

[14]http://www.koerber-stiftung.de/mediathek/player/streit-um-stolpersteine.html?tx_smskoerbermediathek_pi1[cmd]=main&cHash=ecef4a045b3c77d6e1c38e64a41b0fdc, Abruf 16.11.2015
http://www.ndr.de/kultur/geschichte/Streit-um-Stolpersteine-,stolpersteine222.html