10. April – 17. April 2020

Donnerstag 10. April

Ich habe den Roman Hinterwald bekommen und fange an zu lesen. Der Klappentext „Der Roman ist spannend und gut geschrieben, das Lokalkolorit ist stimmig und den Titel Hinterwald finden wir grandios. Andererseits polarisiert der Text stark und wir sehen es vertrieblich als sehr problematisch an, in Bayern mit einem Krimi herauszukommen, in dem die örtliche Bevölkerung derart schlecht wegkommt. ‚Aus dem Ablehnungschreiben eines Verlages'“. Allerdings das erste Kapitel fängt an: „Hier riecht es nach Tod. Überall. Ich bekomme den Gestank nicht mehr aus der Nase.“ Wie der Tod riecht, weiß ich nicht und Gestank ist ein Oberbegriff der nicht näher definierten üblen Gerüche. Da ich vor Jahren eine Vorlesung von Professor Krauland „Gerichtsmedizin mit anschließender Demonstration im Seziersaal“ besucht habe, war ich auch des öfteren in der Pathologie. Da war kein spezifischer Geruch von Tod.

Nun gut, wir werden sehen, wie das Mittenwaldepos auf vierhundert Seiten weiter- und ausgeht.

Heute ist angrillen angesagt. Mein (Elektro)grill auf den Balkon geschleppt und das Verlängerunsgkabel gesucht. Wegen der seit Tagen fehlenden Bewegung gab es nur zwei Bratwürstchen mit Zaziki und gewürfelten Tomaten (aus der Dose). Ja, nur. Vorher ein Stück Bienenstich. Man kann den Nachmittagskaffee nicht ausfallen lassen. Quarantäneberater behaupten der Tag muß Struktur haben.

Was rieche ich während des Schreibens. Den Tod? Nein Spiritus auf Holzkohle, Nachbars ist wieder vor dem Haus und kokelt.

Sonntag 12. April

Neue Informationsquelle gefunden, Monitoring freier Krankenhausbetten in Berlin. Auch wird die Anzahl der künstlich beatmeten Klienten angezeigt. Sechsundsiebzig Prozent der Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Das ist sehr viel und absolut keine guten Aussichten.

Auf Facebook meldet „Frag den Staat“ die Veröffentlichung des Strategiepapiers der Regierung zur Bekämpfung des Coronavirusses. Da steht auch die konkrete Ursache des Todes drin, mit der Wahrheit wollten die zu Beginn der Pandemie nicht herausrücken und faselten nur von Gefährdeten. Nur keine Panik auslösen, denn dann zahlen die Menschen nichts mehr. Wenn schon sterben, dann auf einem großen Fest. Das paßt nicht zu „im Himmel wird alles besser“, woran viele den Glauben verloren haben. Die großen Feste wurden dann alle verboten. Es gab die Aussicht auf viel Geld, damit Vermieter ihr Geschäft weiter ungestört betreiben können. Wenn schon Pandemie, dann auf gar keinen Fall mit Lasten für die Umverteilung von Kapital. Obwohl die Mehrheit der Vermieter Kapitalgesllschaften sind, wurde auch ein Hausbesitzer gefunden, der seine Immobilie auf Kante finanziert hatte. Im Nu hatten im ganzen Land alle Eigentumswohnungen und würden Hunger leiden, wenn sich etwas an deren Mieteinkommen ändern würde. Das wird doch keiner wollen. Da hungern wir lieber als die Rendite der „Deutsche Wohnen“ zu schmälern. Was empfiehlt uns der Konzern? „Wir empfehlen Ihnen deshalb jetzt zu zahlen, was Ihnen aktuell möglich ist.“ Das ist Sicherheit für deren Dividende und die ist wichtiger als das (wirtschaftliche) Überleben eines Mieters. Sie leiden ohnehin schon ganz fürchterlich unter dem Mietendeckel. Habt Erbarmen.

Montag 13. April

Der Himmel ist bedeckt und die Temperatur will nicht ansteigen, deutlich unter angenehm. In der Nacht hat es geregnet und zwar im Schlafzimmer, welches auf der Nordseite ist, waren die Tropfen zu hören, die auf dem äußeren Fensterbrett im Rythmus der Windböen trommelten. Da habe ich keine Lust aufzustehen. Dennoch war ich gefühlt früh auf, sah auf die Uhr, machte mein Frühstück. Das war es dann auch fast schon, ich beschloß den Mittagsschlaf vorzuziehen.

Zu Mittag war das erledigt und eigentlich wollte ich dem Hinterwald weiterlesen, war gerade spannend, wie auf der Hauptversammlung des Heimatvereins eine Gruppe Gäste mit Protestplakaten erschienen ist. Habe jedoch nach einem Rundgang auf den Balkon und die Küche mit der Feststellung draußen ist auch kaum ein Mensch zu sehen dagegen entschieden. Selbst bei Facebook kommt mehr Werbung als Bewegung. Da lege ich mich eben noch einmal hin.

Mittenwald – eine Heimat

Nach weiteren drei Stunden – ungefähr – muß ich mich etwas beeilen, sonst ist Kuchenzeit vorbei und später schmeckt der Bienenstich unpassend. Hinzu muß ich Claudia zum Fünfzigsten gratulieren. Ans Telefon ist in Baden-Würtemberg niemand gegangen, die müssen noch besseres Wetter haben. Macht nichts, der Anrufbeantworter ist besser als ein Butler, denn er vergißt nichts – auch meine fröhliche Botschaft „jetzt bist du alt“ nicht. Alter hat sie selber zum Thema gemacht, vor Jahr und Tag sprach sie von ihrer Vergangenheit „da war sie noch jung und schön“ ohne genauer darauf einzugehen. So etwas höre ich.

Vor noch ein paar Tagen mehr hat ein Schulfreund von mir auch gesagt: „wir hatten eine schöne Jugend“ und abwehrend habe ich gedacht „meine ist noch nicht vorbei“ und ich hoffe es bleibt dabei. Ich bin neugierig und den Kipppunkt des Klimas will ich noch erleben. Dazwischen möchte ich noch so einiges sehen und hören.

Ich denke da weniger an das Lesen von Svenduras Motorradtouren oder von leckerem Lammbraten, was ich heute getan habe.

Lammkeule aus dem Ofen.

Lammkeule habe ich zuletzt bei Dimi und seiner Familie genossen, Lammrücken davor mit Beate und Uwe von einem Tier, wo ich weiß wie es gelebt und aufgewachsen war. Unter persönlicher Fürsorge von Armin. So ein Braten ist nichts für mich alleine in Quarantäne. Wobei ich den ganzen Braten meine und nicht eine Kantinenportion.

Appetit auf Braten, Sauerbraten, Krustenbraten oder Kassler hätt‘ ich schon, was gibt es? Bratkartoffel mit Schweinskopfsülze und grünen Salat.

Dienstag 14. April

Heute bei Motorrad-Kultur-Reisen vorbei geschaut. Das sind ein paar österreichische Planungsjunkies unterwegs auf Honda-Motorrädern. Die letzte Tour bei denen war im vergangenen Jahr und schon lange in die Analen eingegangen, das heißt aufgeschrieben und veröffentlicht. Die Planung und sorgfältige Buchung der diesjährigen Erlebnisse in Frankreich bedurfte einer Revision. Nicht so heftig, es bleibt fast alles wie in den letzten Monaten geplant nur in den September verschoben. Die haben auf den Kalender gesehen und danach beschlossen, weil: Motorradfahren ist bei wärmeren Temperaturen angenehmer. Sie waren in den letzten Jahren im Norden bei Regen und Schnee unterwegs, haben anscheinend dazu gelernt. Svenja ist da schon etwas realistischer und hat sich ein Beipiel am Flugverkehr genommen und gecancelt. No soup for her, „aus Verantwortungsgefühl“.

Bei mir ist der Planungsstand einfacher. Hier wohne ich und nach Brescello zu Don Camillo will ich, dann den Rubicon überschreiten. Der Zeitplan ist ebenso einfach: Das Wetter muß zum Start gut sein und wenn es los geht, geht es eben los. Am ersten Tag sind ein paar Meters zu machen, aber dann is Urlaub. Kein Termin, nirgendwo. Schaun wir ‚mal …
auf die Karte, in die Richtung sollte es gehen, mache ich mit einem Schlenker nach das sieht interessant aus.

Vorher muß die Guzzi wieder auf das Leistungsniveau ihres Klanges gebracht werden. Letztes Jahr hat sie tapfer durchgehalten. Vor München auf der Autobahn macht sie plötzlich bei hundert Stundenkilometern röhr und nix is mehr mit Beschleunigen. Deshalb runter von der Bahn und über den Acker zu den Road-Eagle, denn das war der Übernachtungsplatz vor der Sternfahrt der Biker-Union.

Clubhaus der Road-Eagle München.

Die Tour ist noch aufzuarbeiten. Anfangsvideos sind gemacht, das erste nur für starke Typen, it was a rainy day, beim zweiten Clip das Problem mit der Aufnahmeposition wegen dem angebrochenen Kameragehäuse, jedoch die anderen Tage ruhen. Ebenso kommen die Tage in Israel als Bericht nicht voran.

Mittwoch 15. April

Einkaufen war angesagt und der Parkplatz vor dem Supermarkt war wieder ungewöhnlich voll. Die Leute brauchen nicht zur Arbeit und amüsieren sich im Supermarkt. Salat bräuchte ich, aber ist mir zu teuer, Ersatzsalat auch, anderes Frischgemüse? Ist auch nicht auf meiner Akzeptanzebene. Nun gut ein paar Tomaten nehme ich und Knoblauch muß sein. Zwei Brote und Aufbackbrötchen, was sagt der der Einkaufszettel? Quark, Emmentaler im Block, der ist tatsächlich wieder da, jetzt hamster ich, zwei Stück sind meine. Steinofenpizza soll im Angebot sein, das Preisschild über der Kühltruhe sagt etwas anderes. Hab ich mich geirrt oder soll ich über den Tisch gezogen werden. Eine Kontrolle ob es fehlerhaft ausgepreist ist, kann nicht durchgeführt werden, bleibt also von mir unberührt. Auf dem Weg zum Fleisch sehe ich das immer noch oder schon wieder leere Mehlregal. Habe ich noch und wird in Würde älter, dabei wollte ich doch seit Monaten, ähh Jahren, Spätzle selber machen. Ja, will ich immer noch, aber hier gibt es dehydrierte in der Tüte, die bei der Gelegenheit in den Wagen wandern. Merguez sind im Angebot, jedenfalls im Prospekt, der im Internet besichtigt werden kann. Etwas günstiger, aber keinesfalls ein unbedingtes Schnäppchen. Nicht zu finden, ausverkauft. Normalität ist etwas anderes. Vor Corona gab es das nicht, Merguez waren nie so gefragt. Ohnehin kommen die nicht an die Qualität heran, die ich Frankreich kennengelernt habe. Überhaupt die Normalität. Die Kunden bewegten sich äußerst bedächtig auf den Mindestabstand achtend und irgendwie gehemmt. Der Bewegungsablauf ist bekannt aus Zombiefilmen, ein etwas eckiges Bewegen mit einem unsichtbaren Glaskörper, der Distanz erzwingt. An der Kasse Querstriche auf dem Boden, die den Mindestabstand anzeigen und eine Dirigentenkraft, die die Kunden an die einzelnen Kassen zuweist, was sie aber wegen den ungünstig aufgestellten Regalen garnicht mit dem auch seitlich geltenden Abstand leisten kann. Ich lasse fünfundsiebzig Euro in dem Laden und das ohne Bier, Wein oder Likörchen. Das ist ja schlimmer als hungrig vor Weihnachten einkaufen zu gehen.

Weil wir schon unterwegs waren, machen wir einen Besuch im Baumarkt. Mein Begehr ist ein Dichtungsring und ein paar Blümchen für den Balkon. Der zweite Eingang ist gesperrt, dabei habe ich extra vor dem geparkt und muß nun die Meters zu dem anderen latschen. Der Anblick ist nicht gerade das, was ich mag. Da steht einer und läßt nur Kunden mit einem Einkaufswagen hinein. Da sind gerade zwei zurückgekommen und durch eine Warteschlange ohne Einkaufswagen kann einen okkupieren. Dann sehe ich den fliegenden Wechsel von Einkaufswagen, die warten auf die Zuteilung vom Türsteher. Ich habe einen und es geht etwas schneller in die heiligen Hallen. Der Weg durch die Glastüren ist sauber auf dem Boden markiert. Von wegen direkter Weg. Nix da, alles Einbahnregelung, linkes Tor rein, rechtes Tor heraus. Bei Fußgängern. Ob sich das auf Dauer durchsetzen kann?

Den Dichtungsrig finde ich nicht und der Beratungsstand ist weg, weil an dem Gang irgendetwas neu gestaltet wird. Ein Infostand an der anderen Seite des Durchganges hat eine halbkreisförmige improvisierte Begrenzung aus beliebigen Resten, die den Zugang zu dem Tresen behindert. Da gehe ich gar nicht erst hin. So dringend ist es nicht, schließlich ist er schon jahrelang weg, aufgelöst und mit dem Abwasser weg geschwommen.

Auf zu der Freifläche mit den Pflanzen, alle Pflanzenetagenwagen entlang besichtigt, doch die, die ich vor ein, zwei Jahren als ganzen Tray günstig bekommen habe, gibt es nicht. Da greife ich mir fünf von etwas irgendwie adäquaten Töpfen.

Auf gehts zur Kasse, der hinteren, da geht es immer etwas schneller. Heute nicht, da steht auch ein Kettenhund, der bittet sich an das Ende der Schlange zu stellen, was aber nicht zu sehen ist und wer weiß wie weit weg sie sein kann. Nee, da gehe ich zu den anderen Kassen, was ich auch kundtue. Doch was für ein Schock, das ist ja wie in der DDR, wo die Kunden brav am Eingang auf einen freien Einkaufskorb warteten. Im Normalfall mache ich so eine Gängelung nicht mit und bringe meine Produkte zurück, schiebe den leeren Einkaufswagen durch den Nichtkäuferausgang wieder raus. Aber einmal mache ich auch diesen Kontaktsperrenzirkus mit.
Erst geht es links in den Gang mit dem Fassadendämmaterial herein und auf der anderen Seite wieder heraus, dann durch die Feuertrennwand, die allerdings oben und kaum bemerkbar ist. Da steht dann gleich die Regisseurin, die den Zugang zu den einzelnen Kassenbereichen reglementiert. Abstand halten. Großzügigen Abstand und daher geht es relativ schnell. Wahrscheinlich jedoch auch, weil viele nur eine Rolle Tesafilm gekauft haben. Nachdem die Blümkes in den Kofferraum verstaut wurden, bringe ich den Einkaufswagen zurück und sehe wie Nachschub an Einkaufswagen herangeschafft werden. Ikea steht auf dem Handgriff. Gut daß die nicht öffnen dürfen.

Abends kommt im Fernsehen „Die Getriebenen„, ein Spielfim oder gar als Politdrama bezeichnet. Alleine schon die Besetzung der Rollen ist grandios, die Akteure, die im realen politischen Leben 2015 eine Rolle spielten, sind unverwechselbar erkennbar ohne sie selbst zu sein. Der Kollege „Obergrenze“ oder der ehemalige Verfassungschutzpräsident Maaßen, beide mit charakterischen Phrasen. Ein Lehrfilm, wie Politik funktioniert.

Donnerstag 16. April

Die tägliche email mit der Liste der mails, die als Spam aussortiert worden sind, enthält eine von E. Die hole ich ab und wundere mich, weil die vom 11. April und auch von gmx ist. Wieso braucht gmx für eine mail auf ihren eigenen Servern vier Tage zum verschieben?

Sie war im Februar, März in Ungarn hatte sich dort in der 2. Woche eine gewaltige Erkältung zugezogen, zusätzlich konnte sie das Thermalwasser nicht nutzen, hatte an beiden Unterschenkeln rote Pusteln mit extremen Juckreiz bekommen, das nur ganz langsam wieder weg ging. Sie war auch nicht alleine mit diesem Problem, es hatten viele die gleichen Beschwerden. Die Reste der Erkältung habe sie mit nach Berlin gebracht. Das war schon ein guter Anfang, über den Umweg Steiermark, Oberösterreich und Passau, Hof in Dresden war es sehr beschwerlich. Einfach Abenteuer, keine organisierten Heimflüge von der Regierung sondern individuelle Wegsuche nach offenen Grenzen und Suche nach geeigneten Transportmittel. Eselskarren sind recht selten geworden, die Gustloff soll ja untergegangen sein und Planwagen sind in Europa nur zu touristischen Zwecken unterwegs.

Wenn schon, denn schon: ihr Lebenspartner war in Belgien und ist immer noch dort. Es gibt kein Weg nach Hawai, äh über die Grenze, aus welchen Gründen auch immer.

Freitag 17. April

Einen Blumenkasten mit Wildblumensamen von Campact zur Unterstützung von Wildbienen bestückt, gewässert und in Freie gebracht. Ob die Blümken gedeihen und ob sich eine Wildbiene dahin verirrt, wird sich zeigen. Eine Hummel war die Tage schon vorbei gekommen. Mein Balkon ist zu klein, für alles was ich so machen will. Im Bauhaus hatten sie Olivenbäume im großen Topf angepriesen. Eigene Oliven anbauen, das wär doch etwas. Eine eigene Orangerie.

Das Schloß Zedlitz steht doch bestimmt immer noch leer nachdem Thomas wieder nach Berlin gekommen ist. Er hat es nicht geschafft in Leipzig ein überlebensfähiges Einkommen zu generieren. Im Schloß zu leben ist ja schön mit eigenem Schloßgarten und Orangerie, die als Ausstellungsfläche genutzt wurde. Alleine die Wiese vor und hinter dem Haus macht Arbeit. Da habe ich gelernt mit einer Sense zu arbeiten. Aber ohne Heizung wohnen, in unseren Breitengraden.
Bei der Gelegenheit: was hat Thomas aus seinen ganzen Werken gemacht? Nach Japan wird er sie nicht mitgenommen haben.